Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
"2. [...]; das Erzielen der Einkünfte, deren Weiterleitung an beteiligte oder begünstigte Personen sowie eine Tätigkeit, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird, gelten nicht als Wirtschaftstätigkeit."
Rz. 254
Gesetzliche Negativabgrenzung. Das Gesetz definiert nicht positiv, was unter einer Wirtschaftstätigkeit zu verstehen ist. § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG definiert lediglich negativ (aber letztlich abschließend und damit auch positiv, vgl. Rz. 248), dass keine Wirtschaftstätigkeit zu sehen ist in:
- dem Erzielen der Einkünfte (sog. Aktivitätstest i.e.S.; s. Rz. 257 ff.),
- der Weiterleitung der Einkünfte (sog. Durchleitungstest; s. Rz. 272 ff.) oder
- einer Tätigkeit, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird (sog. Substanztest; s. Rz. 301 ff.).
Rz. 255
Gesetzeskonzeption. Für das Verständnis des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG ist es wichtig zu erkennen, dass dieser gesetzeskonzeptionell bestimmte Tätigkeiten aus dem Begriff der Wirtschaftstätigkeit ausnimmt ("... gelten nicht als Wirtschaftstätigkeit") und damit – positiv formuliert – nur notwendige (aus unionsrechtlicher Sicht aber auch hinreichende, vgl. Rz. 248) (Mindest-)Voraussetzungen für die Annahme einer Wirtschaftstätigkeit formuliert. Anknüpfungspunkt der Beurteilung des Halbs. 2 ist daher die Tätigkeit der Körperschaft (vgl. Rz. 250). Die drei Voraussetzungen unterscheiden sich aber auch in ihren Bezugspunkten und Folgewirkungen:
- Der Aktivitätstest (Var. 1) und der Durchleitungstest (Var. 2) schließen konkrete Tätigkeiten aus dem Begriff der Wirtschaftstätigkeit aus und betreffen damit eine bestimmte Art der Tätigkeit. Das bedeutet aber nur, dass allein diese ihrer Art nach definierten Tätigkeiten keine Wirtschaftstätigkeit darstellen können. Eine daneben bzw. darüber hinaus ausgeübte Tätigkeit anderer Art kann hingegen als Wirtschaftstätigkeit qualifizieren. Weder das alternative Nichtbestehen einer der beiden Tests noch das kumulative Nichtbestehen beider Tests hat zwingend zur Folge, dass keine Wirtschaftstätigkeit vorliegt. Daher kann insbesondere nicht davon gesprochen werden, dass das Erfüllen der in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 1 und Var. 2 EStG genannten Merkmale "schädlich" für das Vorliegen einer Wirtschaftstätigkeit wäre.
- Der Substanztest formuliert hingegen notwendige Voraussetzungen für jegliche Arten von Tätigkeiten und betrifft damit eine bestimmte Qualität jeder Tätigkeit. Auch wenn mehrere Arten von Tätigkeiten von der Körperschaft ausgeübt werden, muss jede dieser Tätigkeiten den Substanztest erfüllen, wenn sie als "Wirtschaftstätigkeit" qualifizieren soll. Erfüllt keine der Tätigkeiten der Körperschaft die Voraussetzungen des Substanztests, so liegt zwingend keine Wirtschaftstätigkeit vor. Das Nichterfüllen der Voraussetzungen des Substanztests ist für die Annahme einer Wirtschaftstätigkeit somit "schädlich". Es ist zu beachten, dass es mehrere Wirtschaftstätigkeiten mit verschiedenen Geschäftszwecken geben kann, sodass eine Wirtschaftstätigkeit den Substanztest nicht bestehen kann, eine andere hingegen schon. Es erfolgt im Substanztest also eine nach Geschäftszwecken segmentierte Betrachtung/Prüfung. Erfüllt eine Tätigkeit in Bezug auf einen Geschäftszweck den Substanztest, so kommt es darauf an, ob die Einkunftsquelle einen wesentlichen Zusammenhang mit dieser Tätigkeit aufweist.
Rz. 256
Vergleich zu § 50d Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG. In der Vorgängerfassung des § 50d Abs. 3 Satz 3 Alt. 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG war ebenfalls eine (eingeschränkte) Negativabgrenzung dergestalt enthalten, dass es an einer Wirtschaftstätigkeit fehlte, "soweit die ausländische Gesellschaft [heute: Körperschaft] ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt". Dieser Satz 3 wurde vom EuGH für unionsrechtswidrig beurteilt (vgl. Vor § 50d Abs. 3 Rz. 98) und daher folgerichtig im Zuge des AbzStEntModG ersatzlos gestrichen.