Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 456
Konkretisierung geschäftsleitender Funktionen. Was unter geschäftsleitenden Funktionen bzw. strategischen Führungsentscheidungen zu verstehen ist, hat die FinVerw bislang noch nicht näher konkretisiert (s. aber Rz. 454 für die Ausübung nur "einzelner Geschäftsfunktionen"). Auch in der Rechtsprechung des BFH ist der Begriff der "geschäftsleitenden Holding" noch nicht hinreichend konkretisiert worden. Für die praktische Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG ist dies aber von entscheidender Bedeutung. Der Begriff der geschäftsleitenden Holding taucht nicht nur bei § 50d Abs. 3 EStG, sondern auch an verschiedenen anderen Stellen auf, so etwa bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung (insb. Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu einer "geschäftsleitenden Holding-Betriebsstätte"), in der Rechtsprechung des BFH zur ertragsteuerlichen Organschaft (vgl. Rz. 457), bei der Gewerblichkeit von Venture Capital und Private Equity Fonds (sog. "Private-Equity-Erlass") und schließlich auch bei der Unternehmereigenschaft im Rahmen der Umsatzsteuer. Zur Konkretisierung der Begrifflichkeit finden sich im Schrifttum oft Querverweise zwischen diesen Themenbereichen, da es jeweils darum geht, ab wann eine "Leitungstätigkeit" zu einer gewerblichen Tätigkeit erstarkt. Dass es auf eine Gewerblichkeit bei § 50d Abs. 3 EStG nicht ankommen kann, wurde bereits dargelegt (vgl. Rz. 252, 268, 345 ff.), die FinVerw scheint dies aber weiterhin zu verlangen. Um dem zu genügen, kann jedenfalls die BFH-Rechtsprechung zur ertragsteuerlichen Organschaft Anhaltspunkte für das Vorliegen geschäftsleitender Funktionen liefern (vgl. Rz. 457), auf die sich die FinVerw und Gesetzesbegründung offenbar stützt. Daneben ist ein Rückgriff auf die allgemeinen betriebswirtschaftlichen Strukturmerkmale des Topos der geschäftsleitenden Holding möglich (vgl. Rz. 458). Dass das Fordern nach der Ausübung geschäftsleitender Funktionen für die Annahme einer Wirtschaftstätigkeit insgesamt abzulehnen ist, steht auf einem anderen Blatt (vgl. Rz. 437). Nachfolgend sollen deshalb nur handhabbare Kriterien darstellt werden, anhand derer sich die (Gestaltungs-)Praxis bei der Anwendung der Kriterien der FinVerw orientieren kann. Zu einer ausf. Checkliste s. Rz. 459.
Rz. 457
BFH-Rechtsprechung zur ertragsteuerlichen Organschaft. Durch das Abstellen auf "Führungsentscheidungen" stützt sich die FinVerw offenbar auf die BFH-Rechtsprechung zur ertragsteuerlichen Organschaft, die eine nach außen hin erkennbare einheitliche Leitung im Konzern verlangt. Danach zeichnet sich die geschäftsleitende Holding dadurch aus, dass sie nach außen erkennbar einem einheitlichen Plan folgend die einheitliche Leitung im Konzern ausübt und damit über ihre Tochtergesellschaften am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zur (gemeinschaftlichen) Gewinnerzielung teilnimmt. Das erfordert typischerweise die Übernahme der Konzernleitung und der Unternehmenspolitik. Dem scheint auch die Gesetzesbegründung zu folgen, die ein "planmäßiges Steuern" der Geschicke der Tochtergesellschaften verlangt. Jedenfalls für die Klärung der Anforderungen der FinVerw kann die Rechtsprechung des BFH hier Anhaltspunkte für eine weitere Konkretisierung liefern. Gleichwohl ist nach der Rechtsprechung des BFH im Bereich des § 50d Abs. 3 EStG nicht eine umfassende Konzernleitung zu fordern, es reicht die Übernahme einzelner Führungsentscheidungen aus (vgl. Rz. 452). Als typische Tätigkeiten einer geschäftsleitenden Holding und damit als strategische Führungsentscheidungen nennt der BFH (zu weiteren Führungsaufgaben s. die Checkliste in Rz. 459):
- Vorgabe schriftlicher (Konzern-)Richtlinien für die Geschäftspolitik. Es genügt, wenn die Körperschaft die Grundlinien und Ziele der Geschäftspolitik bestimmt und die sonst grundlegenden Fragen der Geschäftspolitik für ihre Beteiligungsgesellschaften aufeinander abstimmt. Nicht erforderlich ist das Eingreifen in alle (Geschäfts-)Bereiche der Tochtergesellschaft (einfache "Geschäftsfunktionen").
- Erteilung schriftlicher Weisungen an die Geschäftsleitung. Diese dienen im Wesentlichen der Durchsetzung der (Rahmen-)Vorgaben für die Geschäftspolitik, können aber auch einzelfallbezogen sein.
- Erteilung von schriftlichen (unverbindlichen) Handlungsempfehlungen. Diese beziehen sich insbesondere auf bestimmte Aktivitäten des Tagesgeschäfts. Hierin drückt sich die Einflussnahme auf das Geschäft der Tochtergesellschaft aus, auch wenn diese Empfehlungen nicht verbindlich sind.
- Gemeinsame Besprechungen und Beratungen zwischen der Körperschaft und ihren Beteiligungsgesellschaften. Diese können zum einen zwischen der Körperschaft und allen ihren geleiteten Gesellschaften oder zwischen der Körperschaft und nur einer geleiteten Gesellschaft (z.B. mit Bezug zu ihren Geschäftsaktivitäten) stattfinden.
- Einheitliches Auftreten nach außen. Eintragung einer einheitlichen Firma ("XY-Gruppe"); Repräsentanz der Unternehmenspolitik durch die Holding; Nutzung geme...