Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 461
Sachliche Entlastungsberechtigung. Erfüllt die Tätigkeit der Körperschaft die Kriterien einer geschäftsleitenden Holding, so ist die Körperschaft in aller Regel sachlich entlastungsberechtigt, sodass ihr Entlastungsanspruch – unabhängig von der persönlichen Entlastungsberechtigung – nicht nach § 50d Abs. 3 EStG versagt wird. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, bedarf es aber in jedem Einzelfall einer differenzierteren Betrachtung:
Rz. 462
Wirtschaftstätigkeit. Das Vorliegen der Voraussetzungen einer geschäftsleitenden Holding hat unmittelbar nur zur Folge, dass die Tätigkeit der Körperschaft nicht nur in dem bloßen Erzielen der Einkünfte i.S.d. Nr. 2 Halbs. 2 Var. 1 oder in einer Weiterleitung von Einkünften i.S.d. Nr. 2 Halbs. 2 Var. 2 besteht. Darüber hinaus muss die geschäftsleitende Holdingtätigkeit auch den Substanztest der Nr. 2 Halbs. 2 Var. 3 erfüllen (vgl. dazu Rz. 301 ff.). Hierfür werden im allgemeinen keine außergewöhnlichen sachlichen oder personellen Ressourcen erforderlich sein (vgl. Rz. 337); dies hat sich in jedem Einzelfall nach dem konkreten Geschäftszweck der Körperschaft, d.h. an dem konkreten Umfang der übernommenen geschäftsleitenden Funktionen zu richten. Auch wenn alle Einkünfte der Körperschaft weitergeleitet werden, steht § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 2 EStG der Annahme einer Wirtschaftstätigkeit nicht entgegen (vgl. Rz. 255, s. aber Rz. 279).
Rz. 463
Wesentlicher Zusammenhang. Führt die geschäftsleitende Holdingtätigkeit zum Vorliegen einer Wirtschaftstätigkeit, so ist damit nahezu zwangsweise verbunden, dass mit den Beteiligungen an den geleiteten Gesellschaften auch ein wesentlicher Zusammenhang besteht. In diesen Fällen kann sogar davon gesprochen werden, dass die Beteiligungen an den geleiteten Tochtergesellschaften "wesentliche Betriebsgrundlage" der geschäftsleitenden Holdingtätigkeit sind, da ohne diese Beteiligungen die geschäftsleitende Holdingtätigkeit nicht ausgeübt werden könnte; beide Elemente (Holdingtätigkeit und Beteiligungen an geleiteten Gesellschaften) sind untrennbar miteinander verbunden. Hält die Körperschaft hingegen auch Beteiligungen an Tochtergesellschaften, gegenüber denen keine geschäftsleitenden Funktionen ausgeübt werden, so weisen diese Beteiligungen grundsätzlich keinen wesentlichen Zusammenhang mit der Wirtschaftstätigkeit "geschäftsleitende Holdingtätigkeit" auf. Im Einzelfall kann das aber auch anders sein, wenn etwa gegenüber bestimmten (kürzlich erworbenen oder gegründeten) Tochtergesellschaften in naher Zukunft geschäftsleitende Funktionen ausgeübt werden sollen (vgl. zum zukünftigen Zusammenhang Rz. 420). Es ist unschädlich, wenn nicht gegenüber allen Tochtergesellschaften geschäftsleitende Funktionen in demselben Umfang ausgeübt werden; für den wesentlichen Zusammenhang ausreichend ist, dass überhaupt geschäftsleitende Funktionen gegenüber der betreffenden Tochtergesellschaft ausgeübt werden. Nach hier vertretener Ansicht dürfte es dabei auch ausreichen, wenn gegenüber (einem Teil der) Tochtergesellschaften "nur" Gemeinschaftsaufgaben bzw. Managementdienstleistungen erbracht werden (vgl. Rz. 457); bereits dann liegen schon wirtschaftliche Gründe für das Halten der Beteiligung vor, die nach der Rechtsprechung des EuGH einen Missbrauchsvorwurf entkräften. Neben den Dividenden aus den geleiteten Tochtergesellschaften kann die Körperschaft mit der Ausübung ihrer geschäftsleitenden Tätigkeit auch andere abzugsteuerpflichtige Einkünfte erzielen, wie etwa Zinsen aus den an die geleiteten Gesellschaften ausgereichten Darlehen oder Lizenzgebühren aus der Lizenzierung von Konzern-IP. Hängt das Halten der diesen Einkünften zugrundeliegenden Einkunftsquellen (IP, Darlehensforderung) mit der Ausübung der geschäftsleitenden Holdingtätigkeit wirtschaftlich-funktional zusammen, so ist die Körperschaft demzufolge auch für diese Einkünfte sachlich entlastungberechtigt. Dieser Ansicht ist auch die FinVerw in ihrem Schreiben vom 24.1.2012. Der Zusammenhang sollte u.E. nicht entfallen, wenn die geschäftsleitende Holding-Körperschaft sämtliche Einkünfte weiterleitet, da sich der Zusammenhang aus den geschäftlichen Beziehungen mit den Tochtergesellschaften ergibt und sich nicht in einer reinen Finanzierungsfunktion (Kapitalanlage) erschöpft (vgl. Rz. 279).