Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2811
§ 1 als einseitige Korrekturvorschrift. Tatbestandsvoraussetzung einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 aufgrund einer Geschäftsbeziehung zwischen rechtlich selbständigen nahestehenden Unternehmen ist die Minderung der Einkünfte eines unbeschränkt oder beschränkt Stpfl. (Rz. 128 ff.). Die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1, die in der gedanklichen Korrektur der nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Verrechnungspreise besteht, beschränkt sich daher auf eine Einkünfteerhöhung (Rz. 157). Im Fall von Verrechnungspreisen, die aufgrund einer Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz zu überhöhten Einkünften des Stpfl. führen, ist § 1 Abs. 1 demgegenüber nicht anwendbar.
Dies gilt grundsätzlich auch im Bereich der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-aufteilung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1. Hier ist Tatbestandsvoraussetzung – vereinfacht gesagt – eine Minderung des inländischen Steuersubstrats, was sich im Fall eines unbeschränkt Stpfl. in der Erhöhung seiner ausländischen Einkünfte (Rz. 2856) und im Fall eines beschränkt Stpfl. in der Minderung seiner inländischen Einkünfte (Rz. 2855) konkretisiert. Eine Korrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 kann daher ebenfalls nur in einer Erhöhung des inländischen Steuersubstrats, d.h. entweder der Minderung der ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Stpfl. oder in der Erhöhung der inländischen Einkünfte eines beschränkt Stpfl. bestehen (Rz. 2858 ff.). Eine Korrektur nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1, die in einer Minderung des inländischen Besteuerungssubstrats besteht, ist demgegenüber nicht möglich (Rz. 2864). Dies schließt jedoch nicht aus, dass der AOA auf einer vorgelagerten Stufe möglicherweise auch umgekehrte Rechtsfolgen entfalten kann (Rz. 2812).
Rz. 2812
Allgemeiner Gewinnabgrenzungsmaßstab vs. reine Korrekturvorschrift. Der Regelungsumfang des § 1 Abs. 5 ist unklar. Fraglich ist insbesondere, ob die Vorschrift als Teil der allgemeinen Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsvorschriften zu sehen ist oder aber eine reine Einkünftekorrekturfunktion erfüllt. Damit verbunden ist die Frage, wo eine Einkünftekorrektur im System der zweistufigen Gewinnermittlung (Rz. 20.7 f., 158 f.) ggf. vorzunehmen wäre, d.h. auf der ersten Stufe oder auf der zweiten Stufe (Rz. 2863). Die erste Stufe entspricht der Unterschiedsbetragsermittlung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und ist innerhalb der Steuerbilanz bzw. der Handelsbilanz umzusetzen. Auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung, der sog. Korrekturebene, werden Hinzurechnungen und Kürzungen vorgenommen. Dies sind insbesondere Entnahmen und Einlagen, verdeckte Gewinnausschüttungen, verdeckte Einlagen und nicht abziehbare Betriebsausgaben (Rz. 158 f.). Im Fall rechtlich selbständiger Unternehmen sind Korrekturen nach § 1 Abs. 1 nach h.M. außerhalb der Steuerbilanz, d.h. auf der Korrekturebene, vorzunehmen (Rz. 157). Ob dies zwingend auch im Bereich betriebsstättenbezogener Einkünftekorrekturen gilt, ist unklar (Rz. 2863).
Mit der Neuregelung der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-abgrenzung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, „die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bzw. Gewinnverteilung klar und für alle Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) einheitlich zu regeln”. Durch die Einfügung des § 1 Abs. 5 i.d.F. v. 26.6.2013 sollte der AOA des Art. 7 OECD-MA 2010 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Eine sachgerechte Umsetzung der uneingeschränkten Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion des AOA in innerstaatliches Recht hätte allerdings in den §§ 4–7i EStG erfolgen müssen, um insofern den allgemeinen Gewinnbegriff eindeutig anzupassen. Es bleibt unverständlich, weshalb stattdessen § 1 als – grundsätzlich einseitige – reine Einkünftekorrekturvorschrift (Rz. 2811) ergänzt wurde.
Unabhängig von der konkreten Rechtsfolge des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, die in einer einseitigen Einkünftekorrektur besteht (Rz. 2811, 2864), ist allerdings zu berücksichtigen, dass allgemeine gesetzliche Vorschriften zur betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung bzw. -abgrenzung weitgehend fehlen (Rz. 2806). Das bis zur Einfügung des § 1 Abs. 5 i.d.F. v. 26.6.2013 herangezogene Veranlassungsprinzip (Rz. 2807) ist von der Rspr. lediglich zur Schließung dieser regulatorischen Lücke entwickelt worden und genießt im Hinblick auf die betriebsstättenbezogene Gewinnabgrenzung keinen Gesetzesrang. Die regulatorische Leerstelle kann daher grundsätzlich auch durch Heranziehen der sich in § 1 Abs. 5 manifestierten Wertungen des Gesetzgebers geschlossen werden.
Auch wenn § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 selbst lediglich einseitige Gewinnkorrekturen vorsieht, lässt die Vorschrift doch den grundsätzlichen Willen des Gesetzgebers erkennen, die Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte zum allgemeinen Grundprinzip der betriebsstät...