Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
"... und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden."
Rz. 2853
Bezugspunkt. § 1 Abs. 5 Satz 1 nimmt jeweils auf "Einkünfte" Bezug. Im Rahmen der zweistufigen Einkünfteermittlung (Rz. 20.7 ff.) ist daher nicht auf den Unterschiedsbetrags i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG (erste Stufe) abzustellen, sondern es sind die Einkünfte nach Anwendung etwaiger außerbilanzieller Korrekturen (zweite Stufe) vor Anwendung des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 zu betrachten.
Rz. 2854
Steuerpflichtiger. § 1 Abs. 5 Satz 1 nimmt auf beschränkt und unbeschränkt Stpfl. Bezug (zum Begriff des Stpfl.: Rz. 108 ff.). Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die in § 1 Abs. 1 Satz 2 vorgenommene Erweiterung des Begriffs des Stpfl. geeignet ist, den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 Satz 1 auszuweiten bzw. zu modifizieren. § 1 Abs. 1 Satz 2 erweitert den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 um Sachverhalte, an denen Personengesellschaften oder Mitunternehmerschaften beteiligt sind, und stellt diese Stpfl. i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 gleich (Rz. 221 ff.). Ob die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 sich aufgrund ihres Wortlauts ("Steuerpflichtiger im Sinne dieser Vorschrift ...") auch auf Betriebsstättensachverhalte erstreckt oder aufgrund eines fehlenden Rechtsgrundverweises in § 1 Abs. 5 Satz 1 für Zwecke der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-abgrenzung nicht anwendbar ist, kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben, weil § 1 Abs. 5 Satz 1 im Unterschied zu § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht unmittelbar auf den Stpfl. abstellt, sondern sich auf "inländische Unternehmen und ihre ausländischen Betriebsstätten" bzw. "inländische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen" bezieht. Im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal ist die Fiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 jedenfalls nicht erforderlich, da Personengesellschaften bzw. Mitunternehmerschaften bei entsprechender Tätigkeit grundsätzlich ein Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 darstellen und daher ohnehin erfasst werden (Rz. 2844).
Da § 1 Abs. 5 Satz 1 auf beschränkt bzw. unbeschränkt Stpfl. Bezug nimmt, Personengesellschaften bzw. Mitunternehmerschaften aber weder beschränkt noch unbeschränkt einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtig sein können und damit unklar ist, welcher der beiden Begriffskategorien eine Personengesellschaft bzw. Mitunternehmerschaft im Fall einer solchen Fiktion zugeordnet werden müsste, ist die Begriffserweiterung des § 1 Abs. 1 Satz 2 u.E. auch für das Tatbestandsmerkmal der Minderung des inländischen Besteuerungssubstrats nicht anwendbar.
Im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal ist daher im Fall von Personengesellschaften bzw. Mitunternehmerschaften auf die jeweils beteiligten Gesellschafter bzw. Mitunternehmer abzustellen. Dies gilt auch dann, wenn sowohl unbeschränkt als auch beschränkt Stpfl. beteiligt sind:
Beispiel
An der inländischen A-OHG ist zu 60 % der unbeschränkt Stpfl. A und zu 40 % der beschränkt Stpfl. B beteiligt. Die A-OHG hat eine Betriebsstätte in Frankreich. Die inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte der A-OHG hat gegenüber der Betriebsstätte eine Leistung erbracht, die zwischen fremden Dritten mit einem Entgelt i.H.v. 1.000 Euro vergütet worden wäre (Fremdvergleichspreis). In der deutsch-steuerlichen Gewinnermittlung der französischen Betriebsstätte ist diese Leistung nicht berücksichtigt worden.
Lösung
Durch die Nichtvergütung der gegenüber der französischen Betriebsstätte erbrachten Leistung fällt der inländische Gewinn der A-OHG nach dem Maßstab des Fremdvergleichs um 1.000 Euro zu niedrig aus (verhinderte Vermögensmehrung). Entsprechend ist der Gewinn der französischen Betriebsstätte um 1.000 Euro zu hoch (Annahme: Leistung wäre sofort abzugsfähige Betriebsausgabe). Bezogen auf die Gesellschafter der A-OHG gilt Folgendes: Die französischen Einkünfte des unbeschränkt Stpfl. A fallen um 600 Euro zu hoch aus, womit – unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 – eine Korrektur der Verrechnungspreise erfolgt. Gleichzeitig fallen die inländischen Einkünfte des beschränkt Stpfl. B um 400 Euro zu niedrig aus. Auch hier ist daher unter den weiteren Voraussetzungen eine Korrektur vorzunehmen.
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ist einer Anwendung auf Betriebsstättensachverhalte ebenfalls nicht zugänglich, weil das Tatbestandsmerkmal der nahestehenden Person für Betriebsstättensachverhalte nicht relevant ist.
Der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 erstreckt sich durch die Erweiterung des § 1 Abs. 1 Satz 2 auch auf das Verhältnis zwischen einer Personengesellschaft und einem an dieser beteiligten Gesellschaft bzw. zwischen einer Mitunternehmerschaft und dem beteiligten Mitunternehmer. § 1 Abs. 5 Satz 1 ist auf dieses Verhältnis nicht anzuwenden; vielmehr kommen vorrangig die allgemeinen Vorschriften des § 1 ...