A ist seit Geburt in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und Alleingesellschafter der inländischen D-GmbH, der österreichischen AT-GmbH sowie der brasilianischen BRA-Ltda. A wird Mitte 2024 auch in Brasilien unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Das brasilianische Einkommensteuerrecht besteuert annahmegemäß auch Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen. Abwandlung: A verlagert seinen Lebensmittelpunkt nach Monaco, wo bisher keine Einkommensteuerpflicht dem Grunde nach besteht.
Lösung Ausgangsfall
§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist nicht erfüllt, da A weiterhin in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ein abkommensrechtlicher Ansässigkeitswechsel (dazu Rz. 448 ff.) erfolgt nicht, da zwischen Deutschland und Brasilien kein DBA zur Anwendung kommt. Vor der Begründung der unbeschränkten Steuerpflichtig in Brasilien hätte Deutschland einen Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D-GmbH sowie der AT-GmbH (wegen Art. 13 Abs. 5 DBA-Österreich) uneingeschränkt besteuern können. Hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der BRA-Ltda. war das deutsche Besteuerungsrecht nach Verwaltungsauffassung (Rz. 440) und nach der hier vertreteten hypothetisch-konkreten Betrachtungsweise bereits zuvor beschränkt, da Deutschland einer Anrechnungsverpflichtung (§ 34c Abs. 1 EStG) unterlag. Ein "Ausschluss" des deutschen Besteuerungsrechts kommt jeweils nicht in Betracht, da Deutschland weiterhin (auch) die Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung sämtlicher Anteile besteuern kann. Es fragt sich, ob es durch die unbeschränkte Steuerpflicht in Brasilien zu einer "Beschränkung" des deutschen Besteuerungsrechts i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 hinsichtlich der verschiedenen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen kommt. Hinsichtlich der Anteile an der BRA-Ltda. ist das nicht der Fall, da eine "Beschränkung" bereits bisher bestand (s.o.). Hinsichtlich der Anteile an der D-GmbH scheidet eine Steueranrechnungsverpflichtung i.S.v. § 34c Abs. 1 EStG aus, da die Veräußerungsgewinne nicht zu "ausländischen Einkünften" führen würden (vgl. § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG). Hinsichtlich der Anteile an der AT-GmbH scheidet eine Steueranrechnungsverpflichtung i.S.v. § 34c Abs. 1 EStG aus, da die brasilianische Steuer auf nicht aus Brasilien stammende Einkünfte erhoben wird. Dem deutschen Fiskus "droht" aber bei einer Veräußerung der Anteile an der D-GmbH wie der AT-GmbH ein Steuerabzug i.S.v. § 34c Abs. 3 EStG. Nach hier vertretener (umstrittener) Auffassung (s. Rz. 439) ist § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 auf Fälle mit DBA-Bezug beschränkt, sodass eine Besteuerung i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ausscheidet. Folgt man der weitergehenden Verwaltungsauffassung (s. Rz. 439, 440) wird man eine "Beschränkung" bejahen so dass die Wegzugsteuer definitiv würde und allenfalls in sieben Jahresraten entrichtet werden könnte (§ 6 Abs. 4 Satz 1 ff.). Ein Entfallen der Wegzugsteuer käme nicht in Betracht, da § 6 Abs. 3 Satz 4 einen "Ausschluss" des deutschen Besteuerungsrechts sowie eine "vorübergehende" Abwesenheit des Steuerpflichtigen voraussetzt (s. Rz. 494).
Lösung Abwandlung
In der Abwandlung besteht die Besonderheit, dass Monaco (Nicht-DBA-Staat) seit 1869 keine Einkommensbesteuerung für natürliche Personen erhebt (sog. Nullsteuerstaat), ein Auslösen einer Wegzugsbesteuerung daher nicht gerechtfertigt ist. Die hier angelegte hypothetisch-konkrete Betrachtungsweise (s. Rz. 438.1) führt zu dem Ergebnis, dass eine Wegzugsbesteuerung i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 so lange ausscheidet, solange Monaco keine Einkommensteuer einführt, die auch Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen besteuert.