Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 595
Ist die Organgesellschaft übernehmende Körperschaft bei einer Verschmelzung oder Spaltung, kann sie einen Übernahmegewinn erzielen. Die steuerliche Behandlung hängt davon ab, ob die übernehmende Organgesellschaft an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist. Bei der Aufwärtsverschmelzung einer Tochtergesellschaft auf die Organgesellschaft wird der Übernahmegewinn von der Gewinnabführung erfasst. Anders ist es, wenn die übernehmende Organgesellschaft nicht an der übertragenden Gesellschaft beteiligt ist, also bei der Verschmelzung oder Spaltung einer konzernfremden Gesellschaft auf die Organgesellschaft und bei der Seitwärtsverschmelzung einer Schwestergesellschaft (Sidestream-Verschmelzung). Erfolgt in diesen Fällen die Übernahme des Vermögens gegen Gewährung neuer Anteile (Kapitalerhöhung), ist der Übernahmegewinn als Agio zu behandeln und in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB einzustellen. Steuerlich wird er bei der Organgesellschaft im Einlagekonto erfasst. Damit unterliegt der Übernahmegewinn nicht der handelsrechtlichen Ergebnisabführung.
Rz. 596
Gewährt die übernehmende Organgesellschaft als Gegenleistung für das übernommene Vermögen eigene Anteile, wirkt die Verwendung der eigenen Anteile im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung wie eine Kapitalerhöhung. Der Übernahmegewinn ist daher als Agio zu behandeln und in die Kapitalrücklage einzustellen. Der Übernahmegewinn erhöht sich insoweit nicht. Der Betrag der eigenen Anteile unterliegt nicht mehr der Gewinnabführung. Der Übernahmegewinn gilt nach § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG als steuerfreie Vermögensmehrung, gehört also nicht zum Einkommen. Es liegt aber keine Mehrabführung vor, da im Vergleich zur Ergebnisabführung nicht das Einkommen, in dem der steuerfreie Gewinn nicht enthalten ist, sondern die Vermögensmehrung, in der sie enthalten ist, zugrunde zu legen ist. Daher wird der Vorgang nicht im steuerlichen Einlagekonto berücksichtigt. Da es sich um eine Ergebnisabführung handelt, liegt auch keine Ausschüttung vor.
Rz. 597
Ein Übernahmeverlust wird bei der übernehmenden Organgesellschaft von dem Ergebnisabführungsvertrag erfasst, ist also von dem Organträger auszugleichen bzw. mindert die Gewinnabführung.
Rz. 598 einstweilen frei
Rz. 599
Ist die Organgesellschaft übertragende Körperschaft bei einer Verschmelzung oder Aufspaltung, und erzielt sie einen Übertragungsgewinn, wurde dieser nach früherer Ansicht der Finanzverwaltung nicht von der Gewinnabführung erfasst. Der Übertragungsgewinn sei, da mit seinem Entstehen die Existenz der Kapitalgesellschaft endet, einem Liquidationsgewinn vergleichbar, der ebenfalls nicht der Gewinnabführung unterliegt. Die Rechtsprechung hat jedoch für die Aufspaltung die gegenteilige Auffassung vertreten. Die Aufspaltung sei nicht liquidationsähnlich, da mit ihr keine Zweckänderung der aufgespaltenen Gesellschaft in eine Abwicklungsgesellschaft einhergehe. Die Aufspaltung führe nicht zu einer Beendigung der wirtschaftlichen Aktivität, sondern zu einer Fortsetzung, wenn auch in anderer Rechtsform. Daher erfasse der Gewinnabführungsvertrag auch den Übertragungsgewinn. Entsprechend sei das Einkommen aus dem Übertragungsgewinn dem Organträger zur Versteuerung zuzurechnen.
Die Rechtsprechung des BFH a. a. O. dürfte auch auf den Übertragungsgewinn bei der Verschmelzung anzuwenden sein.
Bei der Abspaltung oder Ausgliederung bleibt die übertragende Körperschaft jedoch bestehen. Abspaltung und Ausgliederung stellen damit keine einer Liquidation vergleichbaren Vorgänge dar, sondern laufende Geschäftsvorfälle; der dadurch entstehende Übertragungsgewinn unterliegt folglich der Gewinnabführung.