Rz. 157

Als Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren wird ein Verfahren bezeichnet, bei dem eine Kapitalgesellschaft Gewinne ausschüttet (Schütt-aus), während die Anteilseigner die empfangenen Gewinne ganz oder teilweise der Kapitalgesellschaft wieder zuführen (Hol-zurück). Dieser Vorgang vollzieht sich in folgenden Phasen mit den dargestellten Auswirkungen:

  1. Die Kapitalgesellschaft schüttet Gewinne aus; hierdurch tritt eine teilweise oder vollständige Entlastung der ausgeschütteten Gewinne von der Körperschaftsteuer ein (ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung), die ohne Ausschüttung nicht einträte.
  2. Die Ausschüttung löst bei den Anteilseignern eine Belastung mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer aus, die ohne die Ausschüttung ebenfalls nicht einträte.
  3. Die Anteilseigner führen ihrer Kapitalgesellschaft die empfangenen Gewinnausschüttungen ganz oder teilweise als Eigen- oder Fremdkapital zu. Dadurch wird der ausschüttungsbedingte Abfluss liquider Mittel bei der Kapitalgesellschaft rückgängig gemacht oder eingeschränkt.

Wirtschaftlich sinnvoll ist das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren, wenn durch die Ausschüttung und Wiedereinlage insgesamt eine steuerliche Entlastung für Kapitalgesellschaft und Anteilseigner eintritt. Das ist der Fall, wenn die durch die Ausschüttung bedingte Belastung der Anteilseigner mit Steuern vom Einkommen geringer ist als die ausschüttungsbedingte Entlastung der Kapitalgesellschaft von der Körperschaftsteuer. Das Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren ist damit immer dann sinnvoll, wenn der Grenzsteuersatz der Anteilseigner, der auf die Ausschüttung anzuwenden ist, geringer ist als die Tarifbelastung der ausschüttenden Körperschaft.

 

Rz. 158

Die Ausschüttung im Rahmen eines Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens kann finanziert werden:

  • aus verfügbarem Gewinn (einschließlich Gewinnvortrag); hierbei ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob der Gewinn steuerpflichtig oder steuerfrei ist;
  • aus Gewinnrücklagen, die zum Zweck der Ausschüttung aufgelöst werden;
  • aus Kapitalrücklagen, die ausschüttbar sind und zum Zweck der Ausschüttung aufgelöst und als Gewinn gezeigt werden (zur Ausschüttbarkeit früherer Einlagen der Anteilseigner (Kapitalrücklagen) vgl. BFH v. 12.7.1972, I R 205/70, BStBl II 1973, 59; vgl. jedoch Rz. 172).

Die Gewinnausschüttung muss bei der ausschüttenden Kapitalgesellschaft abfließen i.S.d. § 11 EStG (zum Abfluss vgl. Rz. 88ff.). Der Annahme des Abflusses steht es nicht entgegen, wenn die beschlossene Gewinnausschüttung nicht an den Gesellschafter ausgezahlt, sondern nur einem Verrechnungskonto gutgeschrieben und anschließend mit der Einlageverpflichtung verrechnet wird[1]. Ein Abfluss liegt in diesen Fällen in dem Zeitpunkt vor, in dem der Anteilsinhaber über die gutgeschriebenen Beträge frei verfügen kann; nutzt er sie zur Erfüllung einer Einlageverpflichtung, ändert dies am Abfluss, und damit an der Wirksamkeit der Gewinnausschüttung, nichts.

 

Rz. 159

Die Rückführung der im Rahmen des Schütt-aus-hol-zurück-Verfahrens erhaltenen Ausschüttung kann erfolgen in Form

  • von Eigenkapital als Erhöhung des Nennkapitals,
  • von Eigenkapital als handelsrechtlicher Ertragszuschuss zur Einstellung in die Gewinnrücklage,
  • von Eigenkapital als handelsrechtliche Einlage zur Einstellung in die Kapitalrücklage,
  • von Fremdkapital als festverzinsliches Darlehen,
  • von Fremdkapital als partiarisches Darlehen,
  • einer stillen Beteiligung.
 

Rz. 160

Wird die Einlage zu einer Erhöhung des Nennkapitals genutzt, so stellt die Verwendung des ausgeschütteten Gewinns zur Kapitalerhöhung keine Bareinlage, sondern eine (verdeckte) Sacheinlage dar (vgl. § 8 Rz. 82). Dies ist sowohl der Fall, wenn die Einlage vor der Gewinnausschüttung erbracht wird ("Einlage vor Ausschüttung"), als auch im umgekehrten Fall ("Ausschüttung vor Einlage"), natürlich erst recht, wenn die Ausschüttung unmittelbar mit der Forderung aus der Kapitalerhöhung verrechnet wird. Handelsrechtlich wird der Fall in allen Varianten so bewertet, dass die Forderung des Gesellschafters auf Auszahlung des Gewinns aufgrund des Gewinnverteilungsbeschlusses mit der Forderung der Kapitalgesellschaft aus dem Kapitalerhöhungsbeschluss verrechnet wird; wirtschaftlich wird dann von den Gesellschaftern kein Bargeld eingebracht, sondern die Forderung auf Auszahlung des Gewinns erlassen (vgl. auch LG Berlin v. 29.5.1997, 98 T 33/97, BB 1997, 2234 mit Anm. Müther).

 

Rz. 161

Die Folge einer verdeckten Sacheinlage ist, dass die Leistung des Gesellschafters wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Sacheinlage nicht als Befreiung von der Pflicht zur Kapitaleinlage angesehen wird; diese Verpflichtung bleibt weiter bestehen. Da die Einlageverpflichtung erst in 30 Jahren verjährt, besteht noch nach langer Zeit, z. B. in einem späteren Insolvenzverfahren der Kapitalgesellschaft, die Gefahr, dass der Betrag der Kapitaleinlage noch eingefordert und damit die beschränkte Haftung des Gesellschafters ausgehöhlt wird. Der Verstoß gegen die Vorschriften über die Sacheinlage führt außerdem zur...

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