Rz. 59
Das HGB sieht als gesetzliches Ausgangsmodell für den Kommanditisten zwei Gesellschafterkonten vor. Erstes Konto ist ein – dem des Komplementär entsprechendes – bewegliches Kapitalkonto gem. § 120 Abs. 2 HGB. Im Unterschied zum Komplementär ist der Kapitalanteil des Kommanditisten aber gem. § 167 Abs. 2 HGB auf den Betrag seiner gesellschaftsvertraglich bedungenen Einlage begrenzt. Sobald der beschränkt haftende Gesellschafter also durch eine Bar- oder Sachleistung seine Einlage erbracht hat, werden darüber hinausgehende Gewinne nicht dem ersten Kapital-, sondern einem zweiten Gesellschafterkonto gutgeschrieben. Auch Entnahmen sind vom zweiten Konto abzubuchen. Nicht dem zweiten Konto belastet werden dagegen Verluste, weil der Kommanditist nach § 169 Abs. 2 HGB nicht dazu verpflichtet ist, den bezogenen Gewinn wegen späterer Verluste zurückzuzahlen bzw. mit diesen zu verrechnen. Die Verluste können das erste Konto dagegen bis auf einen negativen Stand herabmindern, ohne dass das zweite Konto davon beeinflusst wird. Folglich weist das zweite Konto eine dem Gesellschafter zustehende, prinzipiell jederzeit fällige und unentziehbare Forderung aus. Es hat daher den Charakter eines Darlehenskontos. Daran ändert auch eine die Fälligkeit aufschiebende Entnahmebeschränkung nichts. Bereits hier zeigt sich, dass ein entscheidendes Kriterium für die Kontenqualifizierung die Verbuchung von Verlusten ist bzw. die Frage, ob das Kontenguthaben durch die Verrechnung mit Verlusten wieder entzogen werden kann.
Rz. 60
In der Praxis wird dieser Normalzustand allerdings fast immer abbedungen; die Gesellschaftsverträge enthalten dazu meist ausführliche Sonderregelungen. Vereinbart werden alternative Zwei-Konten-Modelle bis hin zu ausdifferenzierten Fünf-Konten-Modellen, in denen i. d. R. neben einem festen Kapitalkonto, nach dessen Stand sich die Vermögens-, Gewinn- und Verlustbeteiligungen sowie das Stimmrecht richten, mehrere variable Konten mit unterschiedlichen Zwecken bestehen (Rz. 137ff.).
Rz. 61
Handelsrechtlich ist dabei zumeist unstreitig, dass das erstgenannte Konto, das Festkonto, ein echtes Beteiligungskonto bildet und keine Forderung des Gesellschafters gegen die KG zum Gegenstand hat. Demgegenüber muss die Rechtsnatur der variablen Konten im Weg der Auslegung des Gesellschaftsvertrags bestimmt werden. Dabei sind in erster Linie die von den Beteiligten angestrebten zivilrechtlichen Konsequenzen zu berücksichtigen.
Rz. 62
Bei der erforderlichen Bestimmung des Charakters der variablen Konten kann es weder auf die Bezeichnung ("Kapitalkonto II", "Darlehenskonto") noch auf eine vereinbarte Verzinsung ankommen. Beide Merkmale sind sowohl bei Eigen- als auch bei Fremdkapital üblich und typisch. Auch eine beschränkte Verfügbarkeit über das variable Konto spricht nicht zwingend für dessen Eigenkapitalcharakter. In der Praxis sind Entnahmebeschränkungen beim Eigenkapital ebenso anzutreffen wie Kündigungsbeschränkungen bei Gesellschafterdarlehen, die Fremdkapital bilden. Schließlich kommt selbst dem Umstand, dass ein Darlehen eigenkapitalersetzend ist, keine Bedeutung zu. Dieses Darlehen ist und bleibt Fremdkapital.
Rz. 63
Entscheidend für den Charakter des variablen Kontos als Eigenkapital ist eine Vereinbarung, wonach auf diesem Konto auch Verlustanteile zu erfassen sind. Findet nämlich eine Verlustverrechnung mit bestehenden Guthaben statt, kann zivilrechtlich von einer Forderung des Gesellschafters und dementsprechend von einer Schuld der KG nicht die Rede sein. Eine nominelle Minderung der Forderung durch Verlustanteile ist mit dem unentziehbaren Anspruch gegenüber der KG unvereinbar. Sie unterstellt bei einem normalen Darlehen eine vertragsmäßige Verlustbeteiligung, die grundsätzlich ausgeschlossen ist.