Rz. 112b
Zweifel an der Absetzbarkeit der Wegeaufwendungen, die hieraus fließen könnten, beseitigt das Gesetz in § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, wonach diese Aufwendungen grundsätzlich beruflich veranlasst und daher Werbungskosten sind. Die gesetzliche Regelung erweitert somit den Begriff der Werbungskosten insoweit und stellt eine gesetzliche Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG dar. Diese konstitutive Wirkung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG hat aber andererseits zur Folge, dass ein Weg von einem der Privatsphäre zuzuordnenden Ort, der nicht "Wohnung" ist, zur Arbeitsstätte nicht als (ausschließlich) beruflich veranlasst angesehen werden kann; die Aufwendungen sind daher (auch) privat veranlasst und können somit nicht als Werbungskosten angesetzt werden. Andererseits enthält die Vorschrift auch Einschränkungen. Sie bildet deshalb eine pauschalierende Sonderregelung. Die damit verbundene Einschränkung des objektiven Nettoprinzips ist angesichts des Umstands, dass diese Aufwendungen im Schnittbereich zwischen privater und beruflicher Sphäre angesiedelt sind, sachlich gerechtfertigt.
Rz. 112c
Der Zweck der Regelung bestand ursprünglich in der Vereinfachung der Ermittlung der Kosten der Benutzung eines Kfz; daher war die Regelung auf die Benutzung eines eigenen Kfz beschränkt. Es handelte sich daher um eine Vereinfachungsnorm. Hinzu kam die Frage, ob die Kosten ihrem Grunde nach überhaupt Werbungskosten sind oder nicht zumindest (teilweise) Kosten der Lebensführung (Rz. 112). Die Vorschrift diente daher auch der Vermeidung von Rechtsunsicherheit.
Die Vorschrift war aber auch steuerpolitisch motiviert. So sollten durch die ab 1967 nicht mehr kostendeckenden Pauschbeträge die Nutzung des Pkw eingeschränkt und die Verlagerung auf den öffentlichen Nahverkehr gefördert werden. In den Neunzigerjahren erforderte der Arbeitsmarkt eine höhere Flexibilität der Arbeitnehmer, die zur Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes auch Fahrten über größere Entfernungen in Kauf nehmen mussten. Außerdem sollten aus sozialen Gründen die steigenden Benzinkosten aufgefangen werden. Die Pauschbeträge für die Nutzung des eigenen Pkw wurden daher kontinuierlich erhöht, um einen Anreiz zu schaffen, auch größere Entfernungen zur Arbeitsstätte in Kauf zu nehmen.
Die Entfernungspauschale ab Vz 2001 verfolgte stärker ökologische Zwecke: Indem die Pauschale nicht mehr von der Benutzung eines Pkw oder dem tatsächlichen Anfall von Kosten abhängig gemacht wurde, sollte ein Anreiz gegeben werden, die kostengünstigste Alternative (die nicht der Pkw ist) zu wählen. Die Vorschrift hat durch ihre beschränkende Wirkung, da die Pauschbeträge die Vollkosten eines Pkw nicht decken, auch verkehrspolitische Bedeutung.
Rz. 113
Entsprechend bestimmt § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG, dass bei den betrieblichen Einkunftsarten die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Betrieb insoweit nicht als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, als der Abzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Werbungskosten ausgeschlossen ist. Damit ist konkludent entschieden, dass diese Aufwendungen grundsätzlich Betriebsausgaben sind.
Die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG gilt ihrem Wortlaut nach nur für Arbeitnehmer, also für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Nach § 9 Abs. 3 EStG gilt diese Regelung für die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 EStG entsprechend; das kann etwa für Aufwendungen eines Stpfl. für Fahrten zu seinem Büro Bedeutung erlangen, von dem aus er seinen umfangreichen Grundbesitz verwaltet. Die "Arbeitsstätte" ist dann als "Tätigkeitsstätte" zu verstehen.
Rz. 114
Zur Abgrenzung der Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zu den Dienstreisen vgl. Rz. 265 "Dienstreise", zu doppelter Haushaltsführung vgl. Rz. 160, zu ständig wechselnden Einsatzstellen vgl. Rz. 265 "Einsatzwechseltätigkeit".
Rz. 115 einstweilen frei