Rz. 35
Der Bundesfinanzhof hat in ständiger Rechtsprechung verlangt, daß bürgerlich-rechtliche Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich nur dann anzuerkennen sind, wenn sie klar vereinbart, ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt werden. Dieser Rechtsprechung des BFH ist für den Fall der Einräumung von Nutzungsrechten zwischen nahen Angehörigen aus Gründen der Rechtsklarheit zuzustimmen. §§ 40, 41 AO stehen dem nicht entgegen. Sinn dieser Vorschriften ist es, die an einem Rechtsgeschäft Beteiligten ungeachtet etwaiger Formmängel entsprechend dem von ihnen wirklich und ernsthaft gewollten Inhalt und dem tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Ergebnis des Rechtsgeschäfts zu besteuern. Bei Rechtsgeschäften unter nahen Angehörigen bereitet die Feststellung, was die Vertragsbeteiligten wirklich gewollt haben und ob das nach dem Vertragsinhalt erstrebte wirtschaftliche Ergebnis tatsächlich erreicht worden ist, Schwierigkeiten, die durchweg nicht ohne Eindringen in die Privatsphäre der Betroffenen überwunden werden können und zu Unsicherheiten in der Besteuerung führen. Es handelt sich hier um die gleiche Problematik, die auch bei der Anerkennung von Familienpersonengesellschaften und Arbeitsverträgen zwischen Familienangehörigen anzutreffen ist. In diesen Fällen, in denen ein Interessengegensatz zwischen den Beteiligten fehlt, muß vor der steuerlichen Anerkennung einer Rechtsgestaltung geprüft werden, ob eine gleiche Gestaltung auch zwischen Fremden vorgenommen worden wäre.
Rz. 36
Mit Beschluß vom 20.11.1984 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß das aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Diskriminierungsverbot nicht verletzt werde, wenn in der Rechtsprechung des BFH bei Verträgen zwischen Eltern und Kindern allgemein zum Nachweis der Ernsthaftigkeit die Einhaltung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den wirksamen Abschluß von Rechtsgeschäften gefordert werde. Bei dieser Forderung handele es sich um eine typisierende und generalisierende Sachverhaltswürdigung und um die Anwendung des einfachen Steuerrechts, die nicht gegen Verfassungsrecht verstoße. Ob die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts nach Erwerb der Volljährigkeit rückwirkend den Steuertatbestand beeinflusse, sei eine vom Bundesverfassungsgericht nicht nachprüfbare Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Steuerrechts.
Rz. 37
Unbefriedigend wegen einer Überbetonung von Formalien ist die Entscheidung des BFH v. 31.10.1989 (IX R 216/84, DStR 1990, 208 mit Anm. v. Schmidt, vgl. auch BFH v. 31.10.1989, IX R 216/84, BStBl II 1992, 506; gl. A. BMF, BStBl I 1992, 370). Bestellen Eltern ihren minderjährigen Kindern unentgeltlich den Nießbrauch an einem bebauten Grundstück und erlangen diese dadurch nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil, so ist das ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers begründete Nutzungsrecht bürgerlich-rechtlich unwirksam und einkommensteuerrechtlich nach Auffassung des BFH auch dann nicht anzuerkennen, wenn das zuständige Vormundschaftsgericht die Bestellung eines Pflegers für nicht notwendig gehalten hat. Der BFH sieht einen die Pflegerbestellung erfordernden rechtlichen Nachteil in der erweiterten Lastentragung und sogar in dem Eintritt in die Vermieterstellung, der gesetzlich begründet wird (vgl. auch die kritische Kommentierung des Urt. v. Korn, KÖSDI 1990, 8054; vgl. ferner Hardt, NWB Fach 3, 7383; s. auch Paus, FR 1990, 442.
Rz. 38
Bedauerlicherweise ist die Finanzverwaltung im 3. Nießbrauchserlaß vom 24.7.1998 der Auffassung des BFH gefolgt. Die Bestellung ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers wird auch dann nicht anerkannt, wenn das Vormundschaftsgericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für entbehrlich angesehen hat. Allerdings hat die Finanzverwaltung sich zu einer Übergangsregelung durchgerungen, wonach bei vor dem 1.7.1992 abgeschlossenen Überlassungsverträgen die günstigere Regelung im 2. Nießbrauchserlaß der Finanzverwaltung weiterhin anzuwenden ist (vgl. Rz. 74 des 3. Nießbrauchserlasses).