Rz. 281
Bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge, insbes. der lebzeitigen Übertragung von Gesellschaftsanteilen, steht i. d. R. die ertrag- und schenkungsteuerliche Beurteilung im Fokus, während die GrESt in den Hintergrund rückt. Die GrESt kann sich aber aufgrund der hohen GrESt-Sätze in den Bundesländern von bis zu 6,5 % (Nordrhein-Westfalen) ggf. erheblich auf die Nachfolge auswirken. Daher sind vor jeder Anteilsübertragung die potenziellen grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen zu prüfen, wenn die Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden, ein inländisches Grundstück (§ 2 GrEStG) hält.
Rz. 282
Von Relevanz sind insbes. die Tatbestände des § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG (Gesellschafterwechsel) und des § 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigung). Ist bei einer Schenkung der Anteile hiernach ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang gegeben, da z. B. (mindestens) 90 % der Anteile an einer grundbesitzhaltenden Personen- oder Kapitalgesellschaft (innerhalb von 10 Jahren) übertragen oder vereinigt werden (und damit ein fiktiver Übergang des Grundstücks gegeben ist), stellt sich die Frage, ob eine Steuerbefreiung greift. In § 3 GrEStG sind unterschiedliche Befreiungsvorschriften enthalten, wobei in erster Linie § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG, wonach Grundstückserwerbe von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden von der GrESt ausgenommen sind, in den Fällen des § 1 Abs. 2a, 2b, Abs. 3 GrEStG relevant sind.
Rz. 283
Bei einer Schenkung von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft wird daher in der Mehrzahl der Fälle keine GrESt-Belastung ausgelöst. Es kann hierbei aber auch Ausnahmen geben, wie das nachfolgende Beispiel zeigt.
Schenkung von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft
V ist alleiniger Gesellschafter der grundbesitzenden V-GmbH. Die Gesellschaft verfügt über folgenden Grundbesitz: Grundstück 1 Anschaffung 1.1.1990, Grundstück 2 Anschaffung 1.1.2012. Mit Vertrag vom 1.9.2002 überträgt V unentgeltlich im Wege einer Schenkung einen Anteil i. H. v. 45 % an seinen Sohn S. Mit Vertrag vom 1.10.222 überträgt V seine restliche Beteiligung i. H. v. 55 % unentgeltlich im Wege einer Schenkung an S.
Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG ist nicht erfüllt, da innerhalb von 10 Jahren nicht mindestens 90 % der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen sind.
Mit Abschluss des Vertrags vom 1.10.2022 vereinigen sich alle Anteile an der grundbesitzenden V-GmbH in der Hand des S. Hierdurch wird für jedes der, der V-GmbH zuzurechnenden Grundstücke der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Die Vereinigung aller Anteile beruht ausschließlich auf Erwerbsvorgängen, die dem ErbStG unterliegen.
Wegen der unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte der Grundstücke ist wie folgt zu differenzieren: Das Grundstück 1 ist der Gesellschaft sowohl im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung als auch zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang in voller Höhe nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG von der GrESt befreit. Das Grundstück 2 ist der Gesellschaft im Zeitpunkt der vorangegangenen Schenkung noch nicht, sondern erst zum Zeitpunkt der tatbestandsauslösenden Schenkung zuzurechnen. Daher ist der Vorgang nur insoweit nach § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG von der GrESt befreit, als er auf der tatbestandsauslösenden Schenkung (55 %) beruht. Der Vorgang ist i. H. v. 45 % grunderwerbsteuerpflichtig.
Eine Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 6 GrEStG für Verwandte in gerader Linie scheidet aus, da die personenbezogenen Befreiungsvorschriften bei Kapitalgesellschaften keine Anwendung finden.
Rz. 284 einstweilen frei