Rz. 20
Die Anknüpfung der Bewertung an die nach den Wertverhältnissen auf den 1.1.1964 – bzw. für die neuen Bundesländer – auf den 1.1.1935 festgestellten Einheitswerte war vermutlich schon in den 1980er Jahren, spätestens aber seit der Wiedervereinigung für den Rechtsanwender kaum noch nachzuvollziehen. Bereits in den 1970er Jahren, wurde erkannt, dass die Hauptfeststellung 1964 weder in der Durchführung noch in den Ergebnissen den Erfordernissen einer sachgerechten, gleichmäßigen und verwaltungsmäßig einfach zu handhabenden Bewertung entsprach. Die nach der Vorstellung des Gesetzgebers regelmäßig durchzuführenden Hauptveranlagungen fanden nicht statt. Die Einheitswerte waren gleichwohl noch lange sowohl für die Grundsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie für die Grunderwerbsteuer maßgeblich.
Rz. 21
Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichheitswidrigkeit der Vermögensteuer und zur Gleichheitswidrigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer leiteten das Ende der Anknüpfung der Besteuerung an die Einheitswerte ein. Mit dem Auslaufen der Vermögensteuer Ende 1996 waren sodann die nach den Wertverhältnissen von 1935 in den neuen Bundesländern und nach den Wertverhältnissen von 1964 in den alten Bundesländern festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes als Besteuerungsgrundlage im Wesentlichen nur noch für die Grundsteuer sowie für die (ab 1998 ebenfalls weggefallene) Gewerbekapitalsteuer von Bedeutung. Zur Ermittlung der Werte des Grundbesitzes für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer fand ab dem 1.1.1996 eine sog. Bedarfsbewertung statt, die sich im Einzelnen nach den Regelungen in den §§ 138 bis 150 BewG a.F. vollzog. Dasselbe galt ab 1.1.1997 auch für Bewertungen für Zwecke der Grunderwerbsteuer. Aber auch diese sog. Bedarfsbewertung galt – für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer – nur etwas mehr als zehn Jahre. Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer und zur Grunderwerbsteuer galt fortan der gemeine Wert – also der Verkehrswert – als einheitlicher Bewertungsmaßstab. Die Vorschriften des BewG wurden dahingehend geändert, dass nach Möglichkeit ein Wert ermittelt oder geschätzt wird, der möglichst dem gemeinen Wert entspricht.
Rz. 22
Im Schatten der verfassungsrechtlich vorgegebenen Änderungen des Bewertungsgesetzes, des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und des Grunderwerbsteuergesetzes blieb die Grundstücksbewertung für Zweck der Grundsteuer lange Zeit unbeachtet. Nach wie vor waren für die Bemessung der Grundsteuer die Einheitswerte nach den Wertverhältnissen auf den 1.1.1935/1.1.1964 maßgebend. Trotz immer wieder angedeuteter Bedenken hielt auch der BFH lange an der Einheitsbewertung fest. Als die "Ermunterungen" an den Gesetzgeber, die offensichtlich verfassungswidrige Anknüpfung an die völlig überholten Einheitswerte aufzugeben (Einf. BewG Rz. 365), keine Früchte trug, legte der BFH angesichts der offenbar unerschütterlichen Lethargie des Gesetzgebers die Vorschriften über die Einheitsbewertung dem BVerfG zur Prüfung vor (Einzelheiten zum Vorlagebeschluss des BFH vgl. Einf. BewG Rz. 374 ff.).
Rz. 23
Das Ergebnis der Vorlage ist bekannt. Das Bundesverfassungsgericht hielt die Anknüpfung an die Einheitswerte (spätestens) ab dem Bewertungsstichtag 1.1.2009 für verfassungswidrig. Insbesondere das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung ursprünglich vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung seit dem Jahr 1964 führe bei der Grundsteuer zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen, die jedenfalls seit dem Jahr 2002 weder durch den vermiedenen Aufwand neuer Hauptfeststellungen noch durch geringe Höhe der individuellen Steuerlast noch durch Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt seien. Der Gesetzgeber müsse bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung beschließen. Wegen der umfassenden Neubewertung einer Vielzahl von Grundstücken dürften die alten Normen jedoch längstens bis zum 31.12.2024 angewendet werden (Einzelheiten zur Entscheidung des BVerfG vgl. Einf. BewG Rz. 380 ff.).
Rz. 24
Das Grundsteuer-Reformgesetz versucht die Vorgaben des BVerfG umzusetzen. Das Grundgesetz ist geändert worden, weil die Kompetenz des Bundes zur konkurrierenden Gesetzgebung in Bezug auf die Grundsteuer von Teilen des Schrifttums in Frage gestellt worden war. Art. 105 Abs. 2 GG wurde dahingehend (klarstellend) ergänzt, dass dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit in Bezug auf die Grundsteuer zusteht. Darüber hinaus ist Art. 72 Abs. 3 Satz 1 GG um die neue Nummer 7 ergänzt worden, wodurch den Bundesländern eine von den §§ 218 ff. BewG i.d.F. des GrStRefG abweichende Gesetzgebung ermöglicht wird (sog. Länderöffnungsklausel; s. Einf. BewG Rz. 393 f.: Gefahr der Zersplitterung des Grundsteuer-Bewertungsrechts).
Rz. 25
Das Bewertungsg...