Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung wegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Verlustverrechnung nach § 2 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG, die den sofortigen vollständigen Verlustausgleich einschränkt, mit Verfassungsrecht vereinbar ist, wenn es sich um echte Verluste handelt, die anders als bloße Buchverluste, tatsächlich und in vollem Umfang das verfügbare Einkommen des Steuerpflichtigen und damit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mindern.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren über die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Mindestbesteuerung bestehen, wenn es sich bei den erlittenen Verlusten um „echte Verluste” handelt. Dem Rechtsstreit liegt nachfolgender Sachverhalt zugrunde:
Die Antragsteller - im folgendenden kurz: ASt. - sind Eheleute, die im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der ASt. ist von Beruf ...................( Freiberufler ) , die ASt. ist ...................( Freiberuflerin ) .
Insgesamt erzielten die ASt. positive Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, aus Beteiligungen und aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.388.805,-- DM. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 1999 machten die ASt. weiter negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.988.679,-- DM geltend. Diese Verluste resultieren aus der Beteiligung der ASt. an mehreren Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, die Mitte der 80er Jahre gegründet worden sind. Bei den Gesellschaften handelt es sich um Immobiliengesellschaften mit sämtlich in den alten Bundesländern (....................) bzw. Berlin-West gelegenem Grundbesitz. Der jeweilige Gesellschaftszweck besteht in der Vermietung des von der Gesellschaft gehaltenen Grundbesitzes. Es handelt sich um Objekte, die für die speziellen Bedürfnisse des Einzelhandels, den Technologiesektor und für die Erlebnisgastronomie zugeschnitten sind. Die Gesellschaften für die Objekte in .................. schlossen im Streitjahr mit erheblichen Verlusten ab. Die Verluste resultieren aus der relativ hohen Zinsbelastung; bei den Abschreibungen der Objekte handelt es sich - nach den unbestrittenen Angaben der ASt. - um die laufende gewöhnliche AfA nach § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG); Teilwert- oder Sonderabschreibungen fanden nicht statt.
Die auf die ASt. entfallende AfA für die Objekte in ........................... beträgt zusammen 1.441.509,-- DM. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Antragsschrift vom 08.08.2001 (Blatt 3-23 der Akte) sowie auf die beigefügten Anlagen (Nr. 1 bis 34, Leitz-Ordner) Bezug genommen.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1999 berücksichtigte das Finanzamt, der Antragsgegner - im folgenden kurz: Ag. -, von den erklärten negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt 2.988.679,-- DM nur insgesamt 794.403,-- DM steuermindernd, weil eine Verlustverrechnung gemäß § 2 Abs. 3 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002 durchgeführt wurde.
Im Bescheid für 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 07.06.2001 legte der Ag. aufgrund des beschränkten Verlustabzugs einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 594.402,-- DM der Besteuerung zugrunde und setzte die Einkommensteuer auf 251.785,-- DM fest.
Über den mit Schreiben vom 21.06.2001 erhobenen Einspruch hat der Ag. noch nicht entschieden. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das Finanzamt mit Verfügung vom 11.07.2001 abgelehnt.
Mit dem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung machen die ASt. im wesentlichen geltend:
Bei den erlittenen Verlusten handele es sich nicht um bloße Buchverluste aus Sonderabschreibungen oder erhöhten Abschreibungen, sondern allein um solche, die aufgrund von realen zahlungswirksamen Kosten entstanden seien, durch die die ASt. auch tatsächlich wirtschaftlich belastet seien. Insoweit sei ernstlich zweifelhaft, ob die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG, die den sofortigen vollständigen Verlustausgleich einschränke, mit Verfassungsrecht im Einklang stehe. Vor allem sei der BFH - Beschluss vom 09.05.2001 XI B 151/00 auf den Streitfall nicht anwendbar, weil sich diese Entscheidung auf bloße Buchverluste beziehe. Insbesondere verstoße die Vorschrift des § 2 Abs. 3 EStG gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Real entstandene Verluste minderten - anders als bloße Buchverluste - tatsächlich und in vollem Umfang das verfügbare Einkommen des Steuerpflichtigen und damit seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Der vorliegende Verstoß trete noch deutlicher zutage, wenn man den Gesamtverlust des Streitjahres in Höhe von 2.988.679,-- DM um die insgesamt im Streitjahr geltend gemachte AfA in Höhe von 1.441.509,-- DM kürzen würde. Selbst dann...