Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuerliche Arbeitgeberpflichten einer ausländischen Gesellschaft mit inländischer Geschäftsstelle
Leitsatz (redaktionell)
- Geschäftsstellen sind Geschäftseinrichtungen, in denen unternehmensbezogene Tätigkeiten ausgeübt werden. Dabei reicht es aus, dass sie tatsächlich als Büro für unternehmerische Zwecke genutzt werden, einer bürogemäßen Geschäftsausstattung bedarf es nicht.
- Werden in einem inländischen Büro Schriftstücke mit Büroadresse gefertigt, Stundenabrechnungen für Arbeitnehmer erstellt, Urlaubskassenabrechnungen für die Zollbehörden geschrieben und Schecks für die Arbeitnehmer ausgestellt, lässt dies auf das Vorliegen einer Geschäftsstelle schließen.
- Eine Betriebsstätte in Form einer Geschäftsstelle muss – anders als eine Geschäftsleitungsbetriebstätte (§ 12 Nr. 1 AO i.V.m. § 10 AO)-nicht geschäftlicher Mittel- oder Ausgangspunkt für die (inländische) Tätigkeit sein. Auch bloße Kontaktadressen können Geschäftsstellen sein.
- Art. 15 Abs. 2 b DBA-Portugal betrifft die persönliche Steuerpflicht des Arbeitnehmers, nicht jedoch die Arbeitgeberpflichten über die Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer. Dies hat zur Folge, dass Lohnsteuer von den Löhnen der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer einzubehalten und abzuführen ist, soweit diese nicht nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der inländischen Besteuerung freigestellt sind.
- Die Auferlegung inländischer Arbeitgeberpflichten an ausländische Unternehmen verstößt nicht gegen EU-Recht.
- Die Haftung der eine Geschäftsstelle im Inland betreibenden ausländischen Gesellschaft und ihres Geschäftsführers ist Folge des Auftretens der Gesellschaft als Arbeitgeber im Inland. Sie unterliegt wie andere inländische Arbeitgeber den lohnsteuerlichen Pflichten.
- Die Bindung der EU-Mitgliedsstaaten eine E-101-Bescheinigung betrifft nur die Träger der sozialen Sicherheit eines anderen Mitgliedstaates. Sie gilt nicht für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer.
Normenkette
AO §§ 69, 34; EStG § 38 Abs. 1; DBA-Portugal § 5
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids wegen Lohnsteuer 1995 - 1997.
Der Kläger ist ausgebildeter Diplom-Ingenieur. Nach seinem Examen in 197. war er bei einer portugiesischen Baufirma als Bauleiter tätig, zunächst in Portugal, später auch in B und in C. 198. gründete er die portugiesische Baufirma Z, die in Portugal und 198. in D Aufträge ausführte. Ab 199. war der Kläger in Deutschland für die Fa. Y tätig.
Der Kläger war während des Haftungszeitraums (01.01.1995 bis 31.12.1997) zu v. H. Gesellschafter der XYZ, einer GmbH portugiesischen Rechts. Daneben war Herr J mit v. H. an der XYZ beteiligt. Der Kläger war (auch) im Haftungszeitraum als Geschäftsführer für die XYZ tätig. Die XYZ beschäftigte portugiesische Arbeitnehmer, die auf Baustellen in Deutschland tätig waren.
Bereits anlässlich einer in der Zeit vom . . - . .1995 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts stellte der Prüfer fest, dass im Zeitraum 1991 - 1994 portugiesische Arbeitnehmer beschäftigt wurden, für deren Arbeitslöhne keine Lohnsteuern angemeldet wurden. Der damals gegen den Kläger gerichtete und auf § 69 der Abgabenordnung (AO) gestützte Haftungsbescheid vom . .1996 wurde aufgehoben, nachdem das Hessische Finanzgericht in dem Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung vom 14.01.1997 (12 V 4274/96) die Auffassung vertrat, wegen der erteilten Freistellungsbescheinigung des Finanzamts könne dem Kläger ein persönlicher Vorwurf im Sinne eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens nicht gemacht werden.
Nachdem in 1998 die „Bearbeitungsstelle zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung” des Hauptzollamts auf der Baustelle N der Firma XYZ Ermittlungen wegen des Verdachts des Betrugs zum Nachteil der Einzugsstellen, der Beitragsvorenthaltung, der Lohnsteuerhinterziehung und der illegalen Arbeitnehmerüberlassung geführt hatte, wurden auch von der Steuerfahndungsstelle Strafermittlungen im Jahre 1998 aufgenommen.
Am 1998 wurde gegen den Kläger das Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Lohnsteuerhinterziehung für die Lohnzahlungszeiträume
/1995 - /1998 eingeleitet und ihm am 1998 bekanntgegeben.
Nach dem Prüfungsbericht der Steuerfahndungsstelle vom 1999 stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:
Mit Vertrag vom 1989 über die Gründung der Firma XYZ wurde der Kläger zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Weiterer Geschäftsführer war J. Beide Geschäftsführer waren einzelvertretungsberechtigt. Aufgrund einer internen Arbeitsteilung war der Kläger zudem für die steuerlichen Belange der Firma XYZ in Deutschland zuständig. Dementsprechend unterschrieb er die Umsatzsteuererklärungen. Daneben wurden die Lohnsteuerfreistellungsanträge von ihm gegengezeichnet. Die XYZ war in den Jahren 1991 bis 1997 im Rahmen sog. „Werkverträge” zur Erbringung von Rohbauleistungen auf der Grundlage v...