Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Dispokinesis als Werbungskosten eines Berufsmusikers
Leitsatz (redaktionell)
- Aufwendungen eines Berufsmusikers für eine Dispokinesefortbildung sind als Krankheitskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen steuerlich berücksichtigungsfähig.
- Der Umstand, dass die Dispokineseübungen neben der Beseitigung von Beschwerden im Hals-, Nacken und Schulterbereich gleichzeitig zu einer Verbesserung des Instrumentenspiels bei dem Musiker führen, rechtfertigt keine Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 33
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger begehren die Berücksichtigung von zusätzlichen Werbungskosten i.H.v. 1.876 € bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr 2009.
Die Klägerin ist Orchestermusikerin und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung deklarierte sie zunächst 2.516,65 € für Besuche bei einer Krankengymnastin und für Besuche des Instituts B nebst Fahrtkosten als Werbungskosten. Das beklagte Finanzamt (Beklagter) berücksichtigte davon im Einkommensteuerbescheid vom 06.08.2010 1.075 € als Werbungskosten, die anderen Aufwendungen wurden als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) qualifiziert. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Nachdem der Beklagte den Klägern mit Schreiben vom 11.08.2010 mitteilte, dass er beabsichtige, die Anerkennung der 1.075 € als Werbungskosten rückgängig zu machen, wurde die Einkommensteuer von 10.622 € auf 10.954 € erhöht; im Übrigen wurde der Einspruch mit Entscheidung vom 26.08.2010 - zur Post gegeben am 09.09.2010 - als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der am 08.10.2010 erhobenen Klage wird vorgetragen, tatsächlicher Hintergrund der Aufwendungen der Klägerin sei gewesen, dass diese auf Grund akuter Einschränkungen in der Schulter ihrer Erwerbstätigkeit als Berufsmusikerin nicht habe nachgehen können. Zur Behandlung dieser Erkrankung sei Krankengymnastik verordnet worden. Zudem sei die Klägerin von Kollegen auf die Möglichkeit einer Dispokinese-Fortbildung hingewiesen worden. Dabei handele es sich um eine ganzheitlich orientierte Schulung, die durch eine Veränderung der Haltung, Atmung und Bewegung sowie der Erfahrungs- und Bewusstseinsdenkprozesse die Spiel- und Ausdrucksfähigkeit professioneller Musiker verbessere. Um sich in Dispokinese unterrichten zu lassen, habe die Klägerin zunächst an 21 Tagen die Musikpädagogin/Dispokinesepädagogin A aufgesucht. Diese Unterrichtung sei der Klägerin mit 1.075 € in Rechnung gestellt worden. Ebenso habe sie an drei Terminen das Institut B aufgesucht. Dort habe sie jeweils eine Unterrichtseinheit in Dispokinesis erhalten. Bei der Dispokinese handele es sich um eine Schulung, die sowohl in Pädagogik als auch in Prävention angewendet werde. Mit ihren sog. Urgestalten von Haltung, Atmung und Bewegung werde die senso- und psychomotorische Entwicklung des Menschen vom Liegen über das Krabbeln bis zum Stehen durchgearbeitet. Dabei sollen evtl. Entwicklungslücken geschlossen und insbesondere die posturalen Reflexe gefördert werden. Eine besondere Rolle spielten weiterhin die speziell entwickelten Übungen zur Instrumental- und Gesangstechnik sowie die im Umfeld der Dispokinese entstandenen ergonomischen Hilfsmittel. Dazu zählten Sitzhilfen für Orchester- und Tasteninstrumente, Kinnhalter und Schulterstützen für hohe Streichinstrumente oder Gurte, Daumen- und Kniestützen für Blas- und Zupfinstrumente. Hierdurch sollen die instrumentale Kompetenz und das Körper- und Ausdrucksbewusstsein hinsichtlich der Erfordernisse einer Bühnensituation ausgebildet werden. Somit handele es sich bei der Dispokinese um von Musikern für Musiker entwickelte ganzheitlich orientierte Schulungsformen. Danach handele es sich nicht um Krankheitskosten. Diese pädagogische Maßnahme habe zum Ziel, die Spielfähigkeit durch Veränderung der Haltung und der Eigenwahrnehmung zu verbessern. Gleichzeitig werde auch die Darstellungsfähigkeit verbessert. Der Musiker erlerne zahlreiche Übungen, die es ihm ermöglichten, auch in einer Auftrittssituation bessere Leistungen zu erbringen. Damit diene die pädagogische Maßnahme zentral der Verbesserung des eigenen Spiels und sei eine Maßnahme zur Erhaltung und Sicherung der Einnahmen. Die Aufwendungen der Klägerin seien daher als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 06.08.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.08.2010 dahingehend zu ändern, dass 1.876 € als zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine in der Einspruchsentscheidung gemachten Ausführungen. Zudem verweist er auf die Ergebnisse seiner Internetrecherche, wonach die Dispokinesis als Krankheit bez...