Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung einer Rechtsbehelfsentscheidung zur Nachholung von Ermittlungen
Leitsatz (redaktionell)
- Das Finanzamt kann, sofern es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, dem Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist.
- Ist weitere Sachaufklärung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Abs. 2 EStG dahingehend erforderlich, ob ein im Ausland wohnendes Kind nach Vollendung seines 18. Lebensjahr beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs für einen Beruf ausgebildet wird bzw. ob das Einkommen des Kindes den sog. Grundfreibetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nicht übersteigt und ist die Behörde ihrer Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung weder vor Erlass des Bescheides noch während des Einspruchsverfahrens bzw. des finanzgerichtlichen Verfahrens nachgekommen, ist es geboten, nach § 100 Abs. 3 FGO die Rechtsbehelfsentscheidung aufzuheben, damit die Behörde die erforderlichen Ermittlungen nachholen kann.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 3, § 76 Abs. 4; AO §§ 88, 367 Abs. 2
Streitjahr(e)
2007
Nachgehend
Tatbestand
Mit Schreiben vom 31.07.2007 beantragte der Kläger rückwirkend ab Mai 2004 Kindergeld für seine in Polen lebenden Kinder P., M. und O.
Mit Bescheid der Familienkasse vom 17.08.2007 wurde der Antrag des Klägers, mit dem Hinweis abgelehnt, dass der Kläger in Polen sozialversichert sei.
Der hiergegen mit Schreiben vom 15.09.2007 eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 02.10.2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit am 01.11.2007 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 25.10.2007 erhob der Kläger Klage und legte im Klageverfahren u. a. eine Bescheinigung seines polnischen Arbeitgebers vor, wonach der Kläger ab dem 01.01.2005 für unbestimmte Zeit beschäftigt und ab dem 01.04.2005 an einen ausländischen Betrieb in R. entsandt worden sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 17.08.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.10.2007 zu verpflichten, dem Kläger für sein Kind P. Kindergeld ab Juni 2007 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der Kläger in Deutschland als Arbeitnehmer einer polnischen Firma tätig und in Polen sozialversicherungspflichtig sei und ihm deshalb deutsches Kindergeld nicht zustehe. Als Beleg für ihre Rechtsauffassung beruft sich die Beklagte auf die Urteile des BFH vom 13.08.2002, VIII R 70/99, VIII R 97/01.
Mit Beschluss des Senats vom 27.11.2007 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet; der Bescheid der Beklagten vom 17.08.2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 02.10.2007 waren gemäß § 100 Abs. 3 FGO aufzuheben. Nach der genannten Vorschrift kann das Finanzgericht, sofern es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist (vgl. BFH, Urteil vom 17.1.1996, VI R 62/95, BFH/NV 1996, 527).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Entscheidung, ob dem Kläger für das Kinder P. ein Kindergeldanspruch ab Juni 2007 zusteht oder nicht, hängt unter anderem davon ab, ob der in Polen lebende Sohn des Klägers nach der Vollendung seines 18. Lebensjahres weiterhin die Voraussetzungen des § 32 EStG erfüllt. Hierzu bedarf es hinsichtlich des am ….. geborenen Kindes P. weiterer Sachaufklärung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a und Satz 2 EStG, mithin der Feststellungen in deutscher Sprache (§ 184 GVG), ob er nach Vollendung seines 18. Lebensjahres beispielsweise aufgrund eines Schulbesuchs für einen Beruf ausgebildet wird und das Einkommen des Kindes den sogenannten Grundfreibetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht übersteigt. Entsprechende Feststellungen wurden seitens der Beklagten nicht getroffen.
Soweit aber die Behörde ihrer Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung weder vor Erlass des Bescheides noch während des Einspruchsverfahrens bzw. finanzgerichtlichen Verfahrens (§§ 88, 367 Abs. 2 AO; 76 Abs. 4 FGO) nachgekommen ist, ist es im vorliegenden Fall geboten, nach § 100 Abs. 3 FGO zu verfahren, damit die Beklagte die erforderlichen Erm...