Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung rechtswidrig festgesetzter Einfuhrumsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Verzinsung, Einfuhrumsatzsteuer, Unionsrecht, Rückwarenregelung
Bei der Erstattung von Einfuhrumsatzsteuer wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht besteht ein unionsrechtlicher Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsbetrages. Dabei liegt stets ein Verstoß gegen Unionsrecht vor, wenn nach Unionsrecht, das durch nationales Recht für anwendbar erklärt wurde, die Einfuhrumsatzsteuer nicht erhoben werden durfte.
2. Einer unionsrechtlichen Pflicht zur Verzinsung stehen weder Art. 241 ZK noch dessen Nachfolgevorschrift Art. 116 Abs. 6 UZK entgegen, da sich bei den Normen lediglich auf Erstattungsfälle beziehen, die Hauptzollverfahrens immanenten Fehlern beruhen.
Normenkette
ZK Art. 241; UZK Art. 116 Abs. 6; ZK Art. 185; UStG § 21 Abs. 2; AO §§ 236, 238
Streitjahr(e)
2016
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verzinsung rechtswidrig festgesetzter Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) für die Dauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens.
Mit Urteil vom 8. Juni 2016 gab das Hessische Finanzgericht im Verfahren 7 K 356/13 (Rechtshängigkeit am 20. Februar 2013) einer Klage der Rechtsvorgängerin der Klägerin statt und hob einen Einfuhrabgabenbescheid vom 2. März 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2013 auf. Mit diesem aufgehobenen Einfuhrabgabenbescheid hatte der Beklagte seinerzeit EUSt i.H.v. 51.334,77 € für Luxusuhren festgesetzt, die nach einem in Deutschland erfolgten Raub zunächst nach Serbien verbracht und sodann am 1. März 2012 (entscheidungserhebliches Datum des vorherigen Verfahrens) als so genannte Rückware nach Deutschland wieder eingeführt wurden. Hauptsächlicher Streitgegenstand des damaligen Verfahrens war, ob die Rückwarenregelung der Art. 185 bis 187 des Zollkodex (ZK) durch § 12 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung (EUStBV) ausgeschlossen war, was das Gericht verneinte. Nach Teilabhilfe im Einspruchsverfahren wegen geminderten Zollwertes wurde letztlich aufgrund jenes Klageverfahrens der Restbetrag i.H.v. 40.443,40 € vom Beklagten an die Klägerin am 24. August 2016 erstattet. Das Urteil wurde dem Beklagten am 11. August 2016 und den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12. August 2016 zugestellt und mit Ablauf des 12. September 2016 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 20. September 2016 beantragte die Klägerin einen Zinsbescheid bezüglich des bereits ausgekehrten Abgabenbetrages i.H.v. 40.443,40 € mit Zinsen seit dem 20. Februar 2013 (Datum der Rechtshängigkeit) i.H.v. 0,5 %-Punkten pro Monat über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 236 Abs. 1 und § 238 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zu erlassen. Mit Bescheid vom 15. November 2016 lehnte der Beklagte die Zahlung ab. Gegen die Ablehnung wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 21. November 2016, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2017 als unbegründet zurückwies.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünde ein Verzinsungsanspruch aus § 236 Abs. 1 AO zu. Art. 116 Abs. 6 des Unionszollkodex (UZK) würde dem Anspruch auf Prozesszinsen nicht entgegenstehen, denn dieser Artikel sei vorliegend bereits nicht anwendbar. Denn der dem Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt aus dem Jahre 2012 sei vor der Gültigkeit des UZK (1. Mai 2016) gelagert und auch die Klage bereits im Februar 2013 erhoben, sodass der Zollkodex noch anwendbar sei. Beim Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 1 AO handele es sich unstreitig um einen materiell-rechtlichen Anspruch. Materiell-rechtliche Vorschriften würden jedoch grundsätzlich nicht für Sachverhalte gelten, die vor ihrem Inkrafttreten entstandenen waren. Vielmehr sei die Vorgängervorschrift Art. 241 UAbs. 1 Satz 2 des ZK einschlägig. Denn wenn insgesamt das "alte" Zollrecht anzuwenden sei, so müsse dies auch für die materielle Vorschrift der Verzinsung gelten.
Ferner trägt sie vor, Art. 116 Abs. 6 UZK gelte weder unmittelbar noch sinngemäß für die Einfuhrumsatzsteuer. Einfuhrabgaben i.S.d. Art. 5 Nr. 20 UZK seien nur die für die Einfuhr von Waren zu entrichtenden Abgaben. Erst § 1 Abs. 3 Satz 3 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) bestimme, dass zu den Einfuhrabgaben im Sinne des ZollVG neben den im UZK geregelten Abgaben auch die Einfuhrumsatzsteuer gehöre. Diese Bestimmung könne als nationales einzelstaatliches Gesetz jedoch nicht auf die Begriffsdefinition des Art. 5 Nr. 20 UZK ausstrahlen. Auch eine sinngemäße Anwendung über § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sei ausgeschlossen, denn mit dieser Norm solle lediglich eine verwaltungstechnische Gleichschaltung, nicht jedoch auch zusätzlich eine materiell-rechtliche Gleichschaltung zwischen Zoll und EUSt erfolgen.
§ 236 Abs. 1 AO sei auch nicht durch Art. 116 Abs. 6 UZK überlagert. Denn Art. 116 Abs. 6 UZK regele lediglich die Verzinsung von Erstattungsbeträgen im außergerichtlichen Rechtsbehelfsver...