Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung. Benachteiligung. Alter. Altersdiskriminierung. Vergütung. Altersstufen. Feststellungsinteresse
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine tarifliche Regelung, in der die Grundvergütung der Höhe nach nach Lebensaltersstufen gestaffelt wird, ist wegen unmittelbarer Benachteiligung wegen des Alters i. S. d. §§ 1, 3 AGG unwirksam.
2. Folge dieses Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters ist, dass die leistungsgewährenden, nicht benachteiligenden Tarifvertragsbestimmungen auf diejenigen Personen zu erstrecken sind, die entgegen den Benachteiligungsverboten von den tariflichen Leistungen ausgeschlossen wurden.
3. Der Arbeitgeber kann sich im Hinblick auf den Verstoß gegen das gesetzliche Diskriminierungsverbot nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte stützen.
Normenkette
BAT 27A; AGG 1; AGG 3; AGG 7; ZPO 256
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 26. September 2008 – 2 Ca 183/08 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, dem Kläger Grundvergütung gemäß der Vergütungsgruppe II a der Anlage 1 a zum BAT nach der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr” für die Monate August 2007 bis Dezember 2008 zu zahlen.
Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Höhe des dem Kläger zustehenden Gehaltes.
Der am 29. Januar 1976 geborene Kläger, der nicht Mitglied der Gewerkschaft ist, arbeitete zunächst aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 27. Juli 2005 (Bl. 5-7 d.A.) bei dem beklagten Land in der Universität A befristet für den Zeitraum 1. August 2005 bis 31. Juli 2007. Einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag schlossen die Parteien unter dem 27. Juni 2007 für den Befristungszeitraum 1. August 2007 bis 31. Dezember 2008. Wegen des Wortlauts dieses Vertrags wird auf die Kopie Bl. 8 f. d.A. Bezug genommen. Durch ein Versehen der Bezügestelle des beklagten Landes erfolgte ab August 2007 die Abrechnung des Gehaltes des Klägers ab August 2007 in der Lebensaltersstufe 45 Jahre statt in der altersmäßig zutreffenden Lebensaltersstufe 31. Statt der Zahlung von EUR 1.317,83 brutto wie im Juli 2007 erhielt der Kläger ab August 2007 bis Februar 2008 daher monatlich EUR 1.709,96. Er ließ seinen Mercedes SLK 230 K bei der Firma B tunen, wofür ausweislich der Rechnung vom 19. Februar 2008 ein Betrag inklusive TÜV-Begutachtung von EUR 2.189,60 anfiel. Nachdem beim beklagten Land die falsche Berechnung der Gehaltszahlung ab August 2007 aufgefallen war, forderte es den Kläger mit Schreiben vom 25. Februar 2008 auf, die von August 2007 bis einschließlich Januar 2008 erfolgte Überzahlung von EUR 2.148,46 netto zurückzuzahlen. Die Rückzahlung erfolgte sodann aufgrund Einbehalt von der dem Kläger ausgezahlten Vergütung durch das beklagte Land.
Der Kläger hat in seiner dem beklagten Land am 19. August 2008 zugestellten Klage zunächst die Feststellung begehrt, das beklagte Land sei nicht berechtigt, von seinem Lohn EUR 2.148,46 einzubehalten. Er hat die Auffassung vertreten, dem beklagten Land stehe ein Rückforderungsanspruch aus Bereicherungsrecht nicht zu und sich im Übrigen unstreitig auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Er hat behauptet, er sei sich nicht bewusst gewesen, dass er rechtlich zuviel Vergütung erhalten habe. Vielmehr habe er gedacht, dass ihm die höhere Vergütung wegen des neuen Vertrags zustehe. Da er aufgrund der erhöhten Zahlungen auch für die Zukunft mehr Geld erwartet habe als üblicherweise in der Vergangenheit gezahlt worden sei, habe er sich im Februar
2008 dazu entschlossen, an seinem Fahrzeug ein Auto-Tuning durchzuführen. Er hat behauptet, die Tuning-Maßnahme stelle eine Luxusausgabe dar, die er sich ohne die Überzahlung nicht hätte leisten können. Auch habe das Tuning den Wert des Fahrzeuges nicht erhöht, denn der Wiederverkaufswert sei durch eine zu erwartende höhere Beanspruchung geringer als vorher. Zuletzt hat der Kläger – mit seiner dem beklagten Land am 26. September 2008 zugestellten Klageerweiterung – außerdem die Ansicht vertreten, die Lebensaltersstufen des BAT stellten eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Deshalb sei die differenzierte Bezahlung nach Lebensaltersstufen rechtswidrig und das beklagte Land schulde ihm für den gesamten Befristungszeitraum Vergütung nach der Lebensaltersstufe 45. Hilfsweise hat er gemeint, das beklagte Land sei nur berechtigt, den tatsächlichen Nettoüberzahlungsbetrag zurückzufordern, den er auch erhalten habe. Bei der Klageforderung handele es sich um einen Bruttobetrag mit Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag, den er in diesem Umfang nicht erhalten habe.
Der ...