Jürgen Berners, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Zusammenfassung
Die Vorschrift des § 363 Abs. 2 AO regelt das Ruhen des Verfahrens und kennt verschiedene Ruhensgründe. Zum einen kann das Finanzamt das Ruhen des Verfahrens mit Zustimmung des Einspruchsführers anordnen, wenn dies aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Dies ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls. Ein Ruhen kommt auch in Betracht, wenn sich ein "Musterverfahren" anbahnt. Herr Berners beleuchtet das Thema gebührenseitig aufgrund einer Entscheidung des OVG Weimar.
1 Gebührenrecht: Gebühr nach Ruhen des Verfahrens
Wenn ein Gerichtsverfahren für längere Zeit nicht betrieben wird, stellt sich die Frage, ob die Gebühren nochmals entstehen. Denn das Verfahren gerät in Vergessenheit und man muss sich wieder neu einarbeiten. Ausgangspunkt ist § 15 Abs. 5 Satz 1, 2 RVG:
"Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen."
Danach liegt also eine neue Angelegenheit vor, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist. Diese Vorschrift gilt für den Steuerberater in einem Gerichtsverfahren über § 45 StBVV.
Das OVG Weimar (Urteil v. 17.12.2018, 4 VO 812/18, DStR 2019, S. 1231) hat dazu entschieden, ob eine neue abrechenbare Angelegenheit auch bei einem Ruhen des gerichtlichen Verfahrens vorliegt. Es hat dies mit folgender Begründung abgelehnt: Eine Erledigung des Auftrags i. S. d. § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG liegt erst dann vor, wenn die Verpflichtung aus dem Auftrag vollständig erfüllt ist. Eine Ruhensanordnung führt hingegen nur zu einer zeitweisen Unterbrechung. Mit der Fortführung des Verfahrens muss jederzeit gerechnet werden. Zudem bleibt der Prozessbevollmächtigte während des Ruhens weiterhin beauftragt. Mithin fehlt es für eine entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG an einer vergleichbaren Interessenlage. Das OVG Weimar sieht bei einem Ruhen des gerichtlichen Verfahrens mithin keine Erledigung des Auftrags. Anmerkung: § 12 Abs. 5 StBVV beinhaltet für das außergerichtliche Verfahren eine entsprechende Regelung.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass es nach der Erledigung eines Auftrags trotzdem "weitergeht". Dies kann z. B. bei Nachfragen des Finanzamts vorkommen, die vor dem Ablauf von 2 Jahren gestellt werden. Hier stellt sich nun die Frage, wie solcher Mehraufwand abzurechnen ist. Wenn der Steuerberater die Angelegenheit bereits abgerechnet hat, käme nur eine Rechnungskorrektur mit einem erhöhten Zehntelsatz in Betracht. M. E. ist es eher zutreffend, eine solche Tätigkeit mit der Besprechungsgebühr des § 31 StBVV abzurechnen. Diese Regelung gilt nicht nur für Besprechungen mit dem Finanzamt, sondern auch für die schriftliche Beantwortung von schriftlichen Nachfragen des Finanzamts (vgl. Berners, Kommentar zur StBVV, § 31, Rz. 10).
In einem solchen Fall kann der Steuerberater mit einem Satz von 5/10 bis 10/10 einer vollen Gebühr nach Tabelle A abrechnen – und wenn ein Gegenstandswert nicht zu ermitteln ist, mit der Zeitgebühr nach § 13 StBVV.
Autor: RA/FAfStR u ArbR Jürgen F. Berners, Füssen
2 Kostenrecht: Schlichte Änderung in Schätzungsfällen innerhalb der Klagefrist
Weist das Finanzamt einen Einspruch gegen einen Schätzungsbescheid als unbegründet zurück, weil die Steuererklärung vor Erlass der Einspruchsentscheidung immer noch nicht – zur Gänze – erstellt und beim Finanzamt eingereicht wurde, steht der Berater vor der insbesondere unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten bedeutsamen Frage, ob er gegen die Einspruchsentscheidung Klage beim FG erhebt oder einen Antrag auf sog. schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i. V. m. Satz 2 und 3 AO stellen soll. Ich hatte seinerzeit (vgl. HHG 8/2017) befürwortet, wegen der (noch) nicht eindeutig geklärten Rechtslage in komplexen Steuerfällen gegen Schätzungsbescheide nach Ergehen der Einspruchsentscheidung den Klageweg zu beschreiten.
Erfreulicherweise hat der BFH (Beschluss v. 22.5.2019, XI R 17/18, BStBl 2019 II, S. 647) nunmehr zeitnah für Klarheit gesorgt. Er hat entschieden, dass die Anforderungen an die Konkretisierung des Antrags auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO nicht strenger sind als die Anforderungen an die Konkretisierung des Gegenstands des Klagebegehrens i. S. d. § 65 Abs. 1 FGO.
Die steuerpflichtige GmbH kam ihrer Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2015 nicht nach. Im Einspruchsverfahren gegen die daraufhin erlassenen Schätzungsbescheide erließ das Finanzamt eine den Einspruch als unbegründet zurückweisende Einspruchsentscheidung. Noch vor Ablauf der Klagefrist stellte die Steuerpflichtige einen Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und reichte hierzu DATEV- Steuerberechnungen ein. Nach Ablauf der Klagefrist wurden die jeweiligen Steuererkläru...