Jürgen Berners, Ulrike Geismann
Der Streitwertkatalog für die Finanzgerichtsbarkeit, der auf der Arbeitstagung der Präsidenten der Finanzgerichte der Bundesrepublik Deutschland am 15. und 16.6.2009 beschlossen und am 31.12.2014 letztmals überarbeitet worden ist, enthält eine Zusammenstellung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Streitwertfestsetzung. Er versteht sich vor dem Hintergrund der seit dem 1.1.2002 ausgeschlossenen Streitwertbeschwerde an den BFH als Beitrag zur Vereinheitlichung und Vorhersehbarkeit der Streitwertfestsetzung. Der Streitwertkatalog erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Verbindlichkeit. Mit den in diesem Katalog angegebenen Werten werden – soweit diese nicht auf gesetzlichen Bestimmungen beruhen – lediglich Empfehlungen ausgesprochen.
Der Streitwert ist Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren sowie für die Gebühren der bevollmächtigten Rechtsanwälte, Steuerberater und anderer Prozessbevollmächtigter, die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen leisten. Nach dem Streitwertkatalog ist der Streitwert bei Einheitswertbescheiden (immer noch) mit 80 ‰ des streitigen Einheitswertunterschieds anzusetzen.
Historische Entwicklung
Die sog. "Einheitswerte" haben heute ausschließlich Bedeutung für die Grundsteuer. Die Bezeichnung "Einheitswert" ist nur noch eine rechtshistorische Reminiszenz. Die Festlegung eines Promille-Satzes auf den streitigen Einheitswertunterschied stammt noch aus einer Zeit, in der die Einheitswerte nicht nur für die Grundsteuer, sondern für eine Mehrzahl von Steuern, insbesondere die Vermögensteuer, als Grundlage dienten. Grund hierfür war, dass eine Einzelberechnung der konkreten Auswirkungen auf die vom Einheitswert abhängigen Steuern kaum möglich war (vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO Tz. 183 m. w. N.).
Pauschaler Promillesatz noch angemessen?
Das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 8.6.2017, 3 K 3033/17, EFG 2017, S. 1204) vertritt die Auffassung, dass (gegenwärtig) für eine Pauschalierung des Streitwerts mit einem Promille-Satz bezogen auf die streitige Einheitswertdifferenz kein Bedürfnis mehr besteht, da die Auswirkung bei der Grundsteuer verhältnismäßig leicht zu berechnen ist.
Im Entscheidungsfall begehrte die Klägerin die Festsetzung mit 80 ‰ des streitigen Betrags des Einheitswerts, was bei einer Herabsetzung des Einheitswerts um 20.456,17 EUR einen Streitwert von 1.636,49 EUR ergäbe. Die Urkundsbeamtin des FG ging davon aus, dass die begehrte Herabsetzung des Einheitswertbescheids aufgrund der Steuermesszahl von 3,5 ‰ und des Hebesatzes von 810 % eine Herabsetzung der Grundsteuer um 581,25 EUR pro Jahr ergäbe. Als Streitwert setzte sie den 6-fachen Jahresbetrag der Auswirkung bei der Grundsteuer, mithin 3.487,50 EUR (6 x 581,25 EUR) an.
Das FG Berlin-Brandenburg hat die Auffassung der Urkundsbeamtin bestätigt. Die Ausrichtung des Streitwerts an einen Satz bezogen auf die resultierende Grundsteuerdifferenz und nicht auf die unmittelbar streitige Einheitswertdifferenz sei inzwischen (auch) deswegen geboten, weil die Grundsteuerhebesätze bundesweit zwischen den einzelnen Gemeinden sehr viel mehr divergierten als früher und daher nur unter Berücksichtigung der Auswirkung auf die Grundsteuer die wirtschaftliche Belastung für den Kläger zutreffend erfasst werden könne.
Was den Ansatz eines mehrfachen und zwar des 6-fachen Jahresbetrags betrifft, ist aus Sicht des FG entscheidend, dass einmal festgestellte Einheitswerte einerseits – vorbehaltlich der noch ausstehenden Entscheidung des BVerfG – rechtlich praktisch unendlich lange gelten, andererseits durch Umbauten, Nutzungsänderungen o. ä. sich die Einheitswerte der Höhe nach ändern oder durch Veräußerungen sich die Zurechnung ändert. Es erscheine daher als eine angemessene Typisierung, dass Einheitswerte 6 Jahre der Höhe nach unverändert und für denselben Eigentümer gelten würden.
Der Ansatz eines 6-fachen Jahresbetrags sei nur zu vermindern, wenn bereits sicher abzusehen sei, dass der streitige Einheitswert nur für einen kürzeren Zeitraum als die o. g. durchschnittlichen 6 Jahre Auswirkung haben wird, etwa wenn auf einen nachfolgenden Feststellungszeitpunkt bereits eine Wert- oder Zurechnungsfortschreibung bekannt oder sicher abzusehen sei.
Rechtsstreit gewonnen oder verloren?
Aus der vom FG Berlin-Brandenburg im Rezensionsbeschluss dargestellten Rechtsprechungshistorie, die bis zum RFH zurückreicht, lässt sich (bereits) ersehen, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung stets versucht hat, die steuerlichen Auswirkungen genau zu erfassen, und Pauschalierungen nur für zutreffend erachtet, wenn die steuerlichen Auswirkungen zu schwierig zu bestimmen sind, insbesondere wegen der Mehrzahl von Steuern, bei denen sich die angefochtene Feststellung auswirkt.
Hervorzuheben ist, dass der BFH (vgl. Urteil v. 16.10.1996, II R 17/96, BStBl 1997 II, S. 228) – unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung – bereits vor Wegfall der Vermögensteuer bei der Festsetzung des Streitwerts nur die grundsteuerlichen Auswirkungen berü...