Dr. Dario Arconada Valbuena, Dr. Andreas Nagel
Das FG Münster hat mit Beschluss v. 26.6.2024 (4 Ko 1086/24 KFB) entschieden, dass dem Ansatz einer erhöhten Geschäftsgebühr für das Vorverfahren gem. Nr. 2300 VV RVG nicht entgegengehalten werden kann, dass der Bevollmächtigte Synergieeffekte aus einem vorangegangenen Außenprüfungsverfahren ziehen konnte. Hieraus ergibt sich Signalwirkung auch für die Abrechnungspraxis zur Honorargestaltung von Steuerberatern.
Sachverhalt
Es wurde im Rahmen einer Außenprüfung durch das Finanzamt (FA) festgestellt, dass immaterielle Wirtschaftsgüter sowie ein Geschäftswert entnommen wurden. Der Teilwert sei i. H. v. 12,5 Mio. EUR anzusetzen. Die Prozessbevollmächtigte zeigte dem FA insoweit die Vertretung der Erinnerungsgegnerin an und nahm zu dem im Prüfungsbericht angesetzten Entnahmegewinn umfassend Stellung. Das FA folgte diesen Einwendungen nicht und änderte den festgestellten Gewinn entsprechend den Prüfungsfeststellungen. Die Prozessbevollmächtigte legte für die Erinnerungsgegnerin insoweit erfolglos Einspruch ein.
Die nachfolgende Klage begründete die Prozessbevollmächtigte mit einem umfassenden Schriftsatz. Nachdem sich die Beteiligten auf einen Entnahmewert verständigten und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, beschloss der Berichterstatter die verhältnismäßige Teilung der Kosten. In dem Kostenfestsetzungsantrag setzte die Prozessbevollmächtigte daher eine Geschäftsgebühr für ihre Tätigkeit im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe einer 2,0-fachen Gebühr an. Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Entscheidung des FG Münster
Die Erinnerung ist lt. FG Münster unbegründet.
1. Erhöhte Geschäftsgebühr im Vorverfahren
Es wurde für das Vorverfahren zutreffend eine 2,0-fache Gebühr angesetzt.
Nach § 139 Abs. 1 FGO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Gem. § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig.
Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nur erstattungsfähig, wenn das Gericht – wie im Streitfall mit Beschluss geschehen – die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Nur die Kosten eines zwingend vorgeschalteten Vorverfahrens sind insoweit zu erstatten (FG Düsseldorf, Beschluss v. 5.3.2014, 6 Ko 307/14 KF).
Nach Nr. 2300 VV RVG ist die Geschäftsgebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren im Rahmen einer 0,5 bis 2,5-fachen Gebühr anzusetzen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Gebühr beträgt lediglich 0,3, wenn sich der Auftrag auf Schreiben einfacher Art beschränkt. Dies ist anzunehmen, wenn das Schreiben weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält (Nr. 2301 VV RVG).
2. Reduzierung der Geschäftsgebühr bei gleichgelagerten Synergieeffekten möglich
Nach diesen Grundsätzen ist der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 2,0 nicht zu beanstanden.
Der Ansatz einer erhöhten Geschäftsgebühr ist nicht unbillig, da die Tätigkeit umfangreich und schwierig war. Zwischen den Beteiligten waren verschiedene, jeweils sehr komplexe Streitfragen (insbesondere Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern, Realisationszeitpunkt, Bewertung, etc.) streitig. Der Zeitaufwand war – was sich nicht zuletzt aus dem Umfang der Schriftsätze der Beteiligten, den richterlichen Hinweisen und der Durchführung von zwei längeren Erörterungsterminen ergibt – außergewöhnlich hoch. Auch ergibt sich die besondere Bedeutung aus den enormen steuerlichen Auswirkungen (hier: hoher Streitwert).
Der Einwand des Erinnerungsführers, dass die Tätigkeit im Einspruchsverfahren deshalb als einfach anzusehen sei, weil die Prozessbevollmächtigte in der Einspruchsbegründung lediglich auf ihre Stellungnahme im Rahmen des Betriebsprüfungsverfahrens verwiesen habe, führt im Ergebnis zu keiner anderen Betrachtung.
Es ist zwar anerkannt, dass es zu einer Reduzierung der Geschäftsgebühr kommen kann, wenn ein Rechtsanwalt erhebliche Synergieeffekte – z. B. durch gleichgelagerte Einspruchsverfahren – erzielt (FG Hamburg, Beschluss v. 25.1.2018, 4 K 85/17). Diese Betrachtungsweise kann allerdings nicht für Synergieeffekte zwischen dem Außenprüfungs- und dem sich anschließenden Einspruchsverfahren gelten.
Konsequenzen für die Praxis
Streitig war im Streitfall, in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren gem. Nr. 2300 VV RVG anzusetzen ist. Das FG Münster hat insoweit entschieden, dass dem Ansatz einer erhöhten Geschäftsgebühr für das Vorverfahren gem. Nr. 2300 VV RVG nicht entgegengehalten werden kann, dass der Bevollmächtigte Synergieeffekt...