Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhte Geschäftsgebühr für das Vorverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Dem Ansatz einer erhöhten Geschäftsgebühr für das Vorverfahren gemäß Nr. 2300 VV RVG kann nicht entgegengehalten werden, dass der Bevollmächtigte Synergieeffekte aus einem vorangegangenen Außenprüfungsverfahren ziehen konnte.
Normenkette
FGO § 139; VV RVG Nr. 2300
Tatbestand
I.
Streitig ist, in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr für die Vertretung im Einspruchsverfahren gemäß Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG – anzusetzen ist.
Ausgangspunkt des erledigten Klageverfahrens 4 K 1652/19 F war eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung J-Stadt (Prüfungsfinanzamt). Dabei wurde die Klägerin und hiesige Erinnerungsgegnerin (im Folgenden: Erinnerungsgegnerin) zunächst durch die T-Partnerschaftsgesellschaft mbB vertreten. Im Mai 2018 übersandte das Prüfungsfinanzamt den Bericht über die Betriebsprüfung vom 03.05.2018 an das Steuerbüro (Bl. 178 Bp-Handakte). Unter Tz. 2.4 des Prüfungsberichts stellte die Prüferin fest, dass die Erinnerungsgegnerin immaterielle Wirtschaftsgüter sowie ihren Geschäftswert entnommen habe. Der Teilwert sei in Höhe von 12.500.000 EUR anzusetzen.
Die hiesige Prozessbevollmächtigte zeigte dem Prüfungsfinanzamt die Vertretung der Erinnerungsgegnerin an (Bl. 154 BP-Handakte) und nahm mit Schreiben vom 14.06.2018 zu dem im Prüfungsbericht angesetzten Entnahmegewinn auf rund elf Seiten Stellung (Bl. 158 ff. Bp-Handakte). Der Beklagte und hiesige Erinnerungsführer (im Folgenden: Erinnerungsführer) folgte diesen Einwendungen nicht und änderte den festgestellten Gewinn entsprechend den Prüfungsfeststellungen (Feststellungsbescheid vom 10.09.2018).
Die Prozessbevollmächtigte legte für die Erinnerungsgegnerin Einspruch ein und verwies zur Begründung auf die Stellungnahme vom 14.06.2018 (Bl. 89 F-Akte). Mit der rund 20 Seiten langen Einspruchsentscheidung vom 10.05.2019 wies der Erinnerungsführer den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klage begründete die Prozessbevollmächtigte mit einem rund 22-seitigen Schriftsatz (Bl. 68 ff GA). Außerdem nahm sie zu den Erwiderungen des Erinnerungsführers mit Schriftsätzen vom 03.01.2020 (rund neun Seiten, Bl. 102 ff GA), 17.04.2020 (rund zehn Seiten, Bl. 140 ff GA) und 15.06.2020 (rund sechs Seiten, Bl. 166 ff GA) Stellung. Der Berichterstatter erteilte mehrere schriftliche Hinweise und führte zwei Erörterungstermine mit den Beteiligten durch. Nachdem sich die Beteiligten auf einen Entnahmewert in Höhe von 417.695 EUR verständigt und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten (Bl. 501 ff GA), beschloss der Berichterstatter die verhältnismäßige Teilung der Kosten (Kostenbeschluss vom 26.04.2024, Bl. 571 ff GA).
In dem Kostenfestsetzungsantrag vom 03.05.2024 setzte die Prozessbevollmächtigte eine Geschäftsgebühr für ihre Tätigkeit im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach Nr. 2300 VV in Höhe einer 2,0-fachen Gebühr an (Bl. 591 ff GA). Mit Beschluss vom 13.05.2024 erklärte der Berichterstatter die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (Bl. 632 GA). Die Urkundsbeamtin des Finanzgerichts Münster berücksichtigte in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.05.2024 antragsgemäß eine Geschäftsgebühr in Höhe einer 2,0-fachen Gebühr (Bl. 650 ff GA).
Mit der Erinnerung begehrt der Erinnerungsführer die Reduzierung der Geschäftsgebühr auf 0,3. Er macht geltend, dass nur die Aufwendungen für das Einspruchsverfahren und nicht auch die vorausgegangenen Aufwendungen für die Betriebsprüfung erstattungsfähig seien. Hier habe die Prozessbevollmächtigte im Einspruchsverfahren lediglich auf ihre Stellungnahme zu dem Betriebsprüfungsbericht verwiesen.
Der Erinnerungsführer beantragt,
die Gebühr für das außergerichtliche Vorverfahren mit 0,3 anzusetzen.
Die Erinnerungsgegnerin beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass der Umstand, dass ihre Prozessbevollmächtigte bereits zu dem Betriebsprüfungsbericht umfangreich Stellung genommen habe, zu keiner geringeren Kostenfestsetzung führen dürfe. Hätte sie es unterlassen, bereits im Betriebsprüfungsverfahren umfangreich Stellung zu nehmen, wäre im Einspruchsverfahren ebenfalls eine 2,0-fache Gebühr angemessen gewesen. Allein die rechtzeitige Aufarbeitung des Gesamtvorgangs führe zu keiner Änderung der erstattungsfähigen Kosten.
Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (vgl. Vermerk vom 17.06.2024, Bl. 13 GA).
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung ist unbegründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.05.2024 ist rechtmäßig. Die Urkundsbeamtin hat für das Vorverfahren zutreffend eine 2,0-fache Gebühr angesetzt.
1. Nach § 139 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – gehören zu den erstattungsfähigen Kosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendung einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind gesetzlich vor...