Dipl.-Betriebsw. Thorsten Hesse, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
§ 4 Abs. 1 StBVV eröffnet dem Steuerberater die Möglichkeit, mit seinem Mandanten eine höhere Vergütung (und auch einen höheren Auslagenersatz) zu vereinbaren als die, die sich an sich aus der StBVV ergibt. Das bedeutet, dass der Steuerberater mit seinen Mandanten nicht nur Honorare vereinbaren darf, die über der Grenze des "Angemessenen" liegen, sondern auch solche, welche die Höchstsätze der StBVV überschreiten.
Eine Begrenzung nach oben ist nach § 4 Abs. 2 StBVV nur für die Fälle vorgesehen, in denen "eine Vereinbarung unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist". Der BGH (Urteil v. 10.11.2016, IX ZR 119/14, DStR 2017, S. 517) hat in einer Anwaltssache eine Überschreitung um das 5-fache der gesetzlichen Gebühren bei einer Gebührenvereinbarung nach § 3a RVG – einer mit § 4 StBVV vergleichbaren Regelung – nicht beanstandet, ein erheblicher Spielraum!
Mit einer Vereinbarung nach § 4 Abs. 1 StBVV kann ein höherer Rahmensatz, ein höherer Gegenstandswert, ein prozentualer Zuschlag auf die normale Gebühr, ein Zuschlag auf die Höchstgebühr, die Abrechnung nach Zeitgebühr an Stelle einer Wertgebühr, ein höherer Festbetrag etc. vereinbart werden.
Formvorschriften für Vergütungsvereinbarungen
Da der Verordnungsgeber den Auftraggeber vor unüberlegten Entschlüssen schützen wollte, hat er die Vereinbarung einer höheren Vergütung an besondere Formvorschriften geknüpft. Eine Vergütungsvereinbarung mit der Festlegung einer höheren Vergütung ist nach § 4 Abs. 1 StBVV nur dann wirksam, wenn nachstehende Erfordernisse erfüllt sind:
- Die Erklärung des Auftraggebers bedarf der Textform. Nach § 126b BGB muss also die Person des Erklärenden genannt und die Erklärung muss auf einem "dauerhaften Datenträger" abgegeben sein.
- Die Erklärung darf nicht in einer Vollmacht (Prozessvollmacht oder Allgemeinen Vollmacht) enthalten sein.
- Soweit das Schriftstück nicht vom Auftraggeber verfasst ist (= Regelfall), muss es als Vergütungsvereinbarung oder in vergleichbarer Weise (z. B. Honorarvereinbarung) bezeichnet sein und die Vergütungsvereinbarung muss von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein.
- Art und Umfang des Auftrags müssen bezeichnet werden.
Hinsichtlich des deutlichen Absetzens gelten die gleichen Anforderungen wie nach § 3a RVG. Hierzu hat das OLG Düsseldorf (Urteil v. 5.12.2023, 24 U 116/22, DStR 2024, S. 1207) entschieden, dass eine besonders ins Auge fallende Verortung der Bezeichnung als "Vergütungsvereinbarung" nicht von der kumulativen Pflicht des "deutlichen Absetzens" der Vergütungsvereinbarung von anderen Vereinbarungen entbindet.
Gegenstand des Rechtsstreits
Der Kläger – ein Rechtsanwalt – nahm eine Mandantin (Beklagte) auf Zahlung von Anwaltshonorar nebst Verzugszinsen auf der Basis einer Vergütungsvereinbarung in Anspruch. Zugrunde liegt eine Vereinbarung zwischen den Parteien, bei der sich auf einem Deckblatt die Überschrift "Vergütungsvereinbarung" und die Worte "wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen" befinden. In der Vereinbarung ist dann ohne besondere Hervorhebung ein § 3 eingefügt, der einfach mit "Vergütung/Auslagen/Fälligkeit" überschrieben ist.
Das LG Düsseldorf (Urteil v. 1.7.2022, 10 O 400/20) vertrat die Auffassung, dass die Anforderung in § 3a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVG an ein "deutliches Absetzen" erfüllt sei und verurteilte die Beklagte zur Zahlung. Gegen dieses Urteil wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
OLG gibt Beklagter recht
Das OLG (Urteil v. 5.12.2023, 24 U 116/22, a. a. O.) gab der zulässigen Berufung statt und wies die Klage ab.
Nach Auffassung des OLG verstößt die dem Verfahren zugrunde liegende Vergütungsvereinbarung gegen § 3a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 RVG, weil sie nicht deutlich von anderen Vereinbarungen, die verschieden von der Vergütungsvereinbarung und der Auftragserteilung sind, abgesetzt ist.
Das OLG stellt zunächst fest, dass die Vergütungsvereinbarung neben der Vergütungsabrede und der Auftragserteilung noch als "andere Vereinbarungen" i. S. v. § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG einzustufende Regelungen enthält. Demzufolge liegt eine kombinierte Vergütungs- und Mandatsvereinbarung vor, die sämtlichen Anforderungen des § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG genügen müsse.
Zwar erfülle die Vereinbarung der Parteien – so das OLG – unstreitig das Bezeichnungsgebot i. S. v. § 3a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 RVG ("Vergütungsvereinbarung"), nicht jedoch das Gebot eines "deutlichen Absetzens von anderen Vereinbarungen" i. S. v. Halbsatz 2 der Vorschrift.
Für die Erfüllung des Erfordernisses "deutlich abgesetzt" seien allein die vom Gesetzgeber mit § 3a Abs. 1 RVG verfolgten Regelungsziele entscheidend. Der Wille des Gesetzgebers ziele auf eine räumliche Trennung zwischen der Vergütungsvereinbarung und sonstigen Abreden ab und solle dem Schutz des rechtsuchenden Auftraggebers dienen.
Für diesen solle die Vergütungsvereinbarung klar erkennbar sein und er davor geschützt werden, unbemerkt eine Honorarabrede abzuschließen, die dem Rechtsanwalt von den gesetzl...