Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rupp
Tz. 698
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Hinsichtlich der allgemeinen Frage der Europatauglichkeit von § 1 AStG s Tz 188ff und der sog Sperrwirkung des OECD-MA bzw DBA s Tz 80ff.
In Ergänzung der allgemeinen Bedenken wird insbes von Seiten der Wirtschaft vorgebracht, dass die stliche Erfassung von Funktionsverlagerungen und Funktionsverdoppelungen zu Doppelbesteuerungen führe (s Haas, UBSt 2008, 517 mit zahlreichen weiteren Nachw). Dies wird insbes mit der nationalen Besonderheit des Transferpaketansatzes begründet. Bereits der Bericht des BT-Fin-Aussch fordert, "dass die B-Reg sich beim Erlass der Rechts-VO an der internationalen Praxis orientiere".
Die Erfassung und Bewertung von Erkenntnissen und Know-how, die im Inl erarbeitet werden, konzernintern ins Ausl gelangen und von dort aus vermarktet werden, ist letztlich Ausfluss der internationalen Gewinnabgrenzung innerhalb eines verbundenen Unternehmens. Dies ist der Regelungsgegenstand des Art 9 OECD-MA, der hierfür vorsieht, dass die Beziehungen zwischen solchen konzernabhängigen Gesellschaften denjenigen entspr müssen, die zwischen unabhängigen Gesellschaften bestehen (sog Fremdvergleichsgrundsatz). Bei der Funktionsverlagerung (und auch bei der Funktionsverdoppelung) geht es darum, das Know-how, das der ausl Konzerngesellschaft zugänglich gemacht wird, mit dem Wert zu bewerten, der zwischen unabhängigen Gesellschaften vereinbart worden wäre.
Die Idee des § 1 Abs 3 AStG besteht lediglich darin, sich bei der Bewertung einer Sachge samtheit nicht mehr mit der Bewertung der einzelnen Sachen (WG) zufrieden zu geben. Entspr dem Verhalten eines fremden Dritten, der die Sachgesamtheit bzw ihre (Mit be-)Nutzungsberechtigung erwirbt, soll auf den Wert der Sachgesamtheit als Paket abgestellt werden, um sicherzustellen, dass der Fiskus sämtliche wertvollen Einzel-WG erkennt und erfasst, dh der Verrechnungspreis zutr ist.
Die Regelung des § 1 Abs 3 AStG stellt somit grds eine Ausprägung des in Art 9 OECD-MA niedergelegten Fremdvergleichsgrundsatzes dar.
Risiko der Doppelbesteuerung
Tz. 699
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Die stliche Erfassung einer Funktion im Inl muss als Kehrseite zur Aktivierung dieser Funktion bei der aufnehmenden Gesellschaft führen, damit dort dann Abschr-Potenzial besteht. Für den umgekehrten Fall (Inbound-Fall) sehen die Verw-Grds FVerl vergleichbar vor, dass im Inl ein solches abschreibungsfähiges WG ("Geschäftswert") gebildet werden kann.
Da die stliche Behandlung der Funktion – wie dargestellt – letztlich der Regelung des Art 9 OECD-MA folgt, besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung genau so, wie sie bei jeder anderen Verrechnungspreisstreitigkeit besteht. Art 9 OECD-MA ist eine Kollisionsnorm, dh sie teilt Besteuerungssubstrat auf, und es liegt damit in der Natur der Sache, dass Doppelbesteuerungen nicht ausgeschlossen werden können und dann iR eines Verständigungsverfahren ausgeräumt werden müssen.
Tz. 700
Stand: EL 79 – ET: 12/2013
Mit der ges Regelung der Funktionsverlagerung greift D einer international abgestimmten Regelung in den OECD-GL vor. Die OECD hatte bereits am 19.09.2008 einen Diskussions-Entw zu "Business Restructurings" veröffentlicht, der auf Basis von Art 9 OECD-MA den Fremdvergleichsgrundsatz präzisieren soll. Die Endfassung wurde in das Kapital IX der OECD GL übernommen.
Die Veröffentlichungen zur internationalen Akzeptanz der dt "Vorgriffsregelungen" sind widersprüchlich (zB s Naumann, IWB 2008 S 635; s Jobst Wilmanns, Status Recht 2008, 201; s Werra, IStR 2009, 91 und s Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73).
Festzuhalten ist, dass die OECD-Grundsätze in wes Kernaussagen keinen Widerspruch zum nationalen Recht enthalten. Dies sind:
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Fundamentale Grundlage des international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatzes war in der Vergangenheit der Grundsatz, dass die Aufgabenverteilung im Konzern der Verrechnungspreisfrage vorgelagert ist, dh nicht selbst am Fremdvergleichsgrundsatz zu messen ist (s Ritter, BB 1983, 1677). Der OECD-Ansatz zeigt erstmals international die Grenzen der Dispositionsfreiheit im grenzüberschreitenden Konzern durch Nichtanerkennung einer Restrukturierungsmaßnahme auf. |
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Der Bericht enthält zwar die Grundaussage, dass übergehendes Gewinnpotenzial als solches nicht entschädigungspflichtig ist. Anderseits wird eindeutig festgelegt, dass wenn der Übergang des Gewinnpotenzials die Folge vom Übergang bzw der Aufgabe von beachtlichen Assets und/oder Rechten ist, es kompensationsfähig wird, vgl hierzu Tz. 9.65–9.68 der OECD-GL zu "Profit potential". Dies ist regelmäßig im Fall der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs 3 AStG der Fall. Das damit verknüpfte Gewinnpotential ist insoweit, wie auch der OECD-Bericht ausdrückt, ein Aspekt bei der Bewertung von übertragenen Assets und Rechten. |
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Im Fall der Verschiebung des Gewinnpotenzials als Folge einer geänderten Risikoaufteilung zwischen den Parteien ist zu prüfen, ob fremde Dritte auf Grund der Höhe und Wahrscheinlichkeit der erwarteten Verluste den Übernehmer des Risikos entschädigen würden od... |