Rz. 80
Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund eines Gesellschaftsverhältnisses oder der familienhaften Zusammengehörigkeit ist nicht immer leicht zu ziehen und kann nur nach Lage der jeweiligen Umstände entschieden werden. Besonders problematisch ist vielfach, ob zwischen Verwandten oder Verschwägerten ein Arbeitsverhältnis besteht oder ob es sich nur um ein Tätigwerden aufgrund familienhafter Bindungen handelt. Das BSG hat sich in einer Reihe von Entscheidungen mit der Abgrenzung zwischen familienhafter Mithilfe einerseits und Beschäftigungsverhältnissen andererseits auseinandergesetzt. Für die Abgrenzung des Ehegattenbeschäftigungsverhältnisses zur familienhaften Mithilfe kann hiernach auf die Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis zwischen nahen Verwandten zurückgegriffen werden, die durch das Urteil des BSG v. 5.4.1956 (3 RK 65/55 – Meistersohn) eingeleitet und durch eine Reihe weiterer Urteile fortgeführt wurde (BSG, Urteil v. 18.5.1960, 3 RK 21/56 – erbberechtigte Schwester eines Hoferben; Urteil v. 29.3.1962, 3 RK 83/59 – Hofübernahme; Urteil v. 19.2.1987, 12 RK 45/85 – freier Unterhalt und geringfügiges Taschengeld; BSG, Urteil v. 23.6.1994, 12 RK 50/93 – Mithilfe der Ehefrau für die Arztpraxis ihres Ehemannes) und verfestigt worden sind (hierzu BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R – Sohn im Betrieb der Mutter; Urteil v. 25.7.2002, B 10 LW 12/01 R – mitarbeitender Familienangehöriger in Ausbildung). Grundsätzlich gilt insoweit (BSG, Urteil v. 17.2.2002, B 7 AL 34/02; vgl. auch Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R – Sohn im Betrieb der Mutter): "Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen. Der Höhe des Entgelts kommt dabei lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt."
Rz. 81
Hiernach lassen sich folgende Grundsätze aufstellen:
Ob die Tätigkeit im Unternehmen eines Ehegatten oder nichtehelichen Lebenspartners ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis darstellt oder nicht, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Hierzu ist die Feststellung erforderlich, ob es sich um ein von den Verwandten/Eheleuten ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis handelt, das insbesondere die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten vom Arbeitgeber voraussetzt. Diese für die Abgrenzung zum Mitunternehmer oder Mitgesellschafter erforderliche Voraussetzung wird durch die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung (vgl. dazu Rz. 58 ff.) erfüllt. Zwar kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie dies insbesondere bei den Diensten höherer Art der Fall ist (dazu Rz. 48, 89, 116; vgl. auch Antwort der Bundesregierung v. 18.4.2017 auf die Kleine Anfrage, BT-Drs. 18/11799, zum Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung in BT-Drs. 18/11982 S. 12), vollständig entfallen darf es jedoch nicht. Die Tätigkeit des Familienmitgliedes muss zumindest eine fremdbestimmte Dienstleistung (vgl. hierzu Rz. 24, 48, 59, 89, 92, 97, 116, 122, 176) bleiben, die in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgeht. Ist ein Weisungsrecht hingegen nicht vorhanden, kann das Familienmitglied seine Tätigkeit also wesentlich frei gestalten, insbesondere über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei verfügen, oder fügt es sich nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes ein, liegt keine abhängige, sondern eine selbständige Tätigkeit vor, die zusätzlich durch ein Unternehmerrisiko (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.4.2012, L 11 KR 312/10; zum Unternehmerrisiko vgl. auch Rz. 41, 48, 57, 61, 91, 135) gekennzeichnet zu sein pflegt. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten – wie im Übrigen auch unter nichtehelichen Lebenspartnern – im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.4.2012, L 11 KR 312/10). Hierbei sind insbesondere die Eingliederung des Ehegatten bzw. des nichtehelichen Lebenspartners in den Betrieb, die vertragliche Regelung auch der Höhe der Geld- und Sachbezüge und ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit sowie zu der Bezahlung vergleichbarer fremder Arbeitskräfte und die steuerliche Behandlung wesentlich (LSG Nordrhein-Westfa...