Rz. 86
Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage geben die Abwägungsentscheidung zum sozialversicherungsrechtlichen Status nicht i. S.e. strikten Parallelwertung zwingend vor, sondern haben lediglich Indizfunktion (BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R). Konstituierend für die Arbeitnehmereigenschaft ist die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber (vgl. BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R; Urteil v. 31.3.2015, B 12 R 1/13 R; Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; BAG, Urteil v. 27.6.2017, 9 AZR 851/16; Urteil v. 29.5.2002, 5 AZR 161/01; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 14.9.2017, L 1 KR 311/15; LSG Hessen, Urteil v. 6.7.2017, L 8 KR 61/16; vgl. auch Rz. 41 ff.). Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung (vgl. § 611a Abs. 1 BGB; hierzu BSG, Urteil v. 31.3.2015, B 12 R 1/13 R; Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; kritisch zum Merkmal der Eingliederung: Hromadka, NJW 2003 S. 1847, 1848). Eine Beschäftigung liegt dann vor, wenn die Tätigkeit i. d. R. in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich (vgl. auch Rz. 90) zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl. BSG, Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R; Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R – Merchandising im Rackjobbing; Urteil v. 31.3.2015, B 12 KR 17/13 R; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R – Familienhelferin; Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R – Übungsleiterin für einen Sportverein; vgl. aber Rz. 59). Dementsprechend ist die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar (BSG, Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R; BAG, Urteil v. 19.11.1997, 5 AZR 653/96).
Rz. 87
Das BSG hat diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Organen juristischer Personen angewandt (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R). Auch insoweit ist entscheidend, ob das Organ von der Gesellschaft persönlich abhängig ist. Ob die Geschäftsführer einer GmbH deren Gesellschaftern gegenüber persönlich abhängig sind, ist nicht allein danach zu beurteilen, inwieweit sie an Entscheidungen der Gesellschafter gebunden sind, die den Inhalt ihrer Geschäftsführertätigkeit betreffen. Wesentlicher ist das "Gesamtbild" der Geschäftsführertätigkeit und insoweit insbesondere, ob der durch Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung geprägte äußere Rahmen dieser Tätigkeit durch einseitige Weisungen der Gesellschafter geregelt wird oder geregelt werden kann. Dabei kommt es nicht so sehr auf den Wortlaut der einschlägigen Regelungen im Gesellschafts- und/oder im Anstellungsvertrag an, sondern vor allem auf die praktische Durchführung dieser Regelungen im Leben der Gesellschaft. Im Übrigen ist die Frage der Weisungsgebundenheit und damit der Versicherungspflicht von Geschäftsführern einer GmbH unterschiedlich zu beantworten, je nachdem, ob diese zugleich als Gesellschafter-Geschäftsführer Gesellschafter der GmbH sind oder als Fremd-Geschäftsführer von außen kommen (so BSG, Urteil v. 24.6.1982, 12 RK 45/80; vgl. auch Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 17.5.2017, L 2 R 346/16). Sofern ein Geschäftsführer gegenüber anderen Arbeitnehmern des Betriebes Arbeitgeberfunktionen ausübt, steht dies nicht der Einschätzung entgegen, dass auch der Geschäftsführer seinerseits abhängig beschäftigt ist. Maßgebend ist insbesondere seine Bindung an den Willen des Betriebsinhabers, im vorliegenden Fall also an den des Klägers (hierzu BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 17.5.2017, L 2 R 346/16).
Rz. 88
Soweit § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG bestimmt, dass in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten, ändert das an der aufgezeigten Rechtslage nichts. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht (BSG, Urteil v. 24.6.1982, 12 RK 45/80 zum Geschäftsführer einer GmbH; Urteil v. 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R zum Vorstand eines eingetragenen Vereins).
Rz. 89
Auch Dienste höherer Art (vgl. Rz. 48, 116) können im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden, wenn sie fremdbestimmt (vgl. hierzu Rz. 24, 48, 59, 81, 92, 97, 116, 122, 176) bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG, Urteil v. 17.12.2014, B 12 R 13/13 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 17.5.2017, L 2 R 346/16; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.2.2017, L 11 R 2433/16; LSG Bayern, Urteil v. 20.10.2016, L 7 R 5045/16; vgl. hierzu auch Antwort der Bundesregierung v. 18.4.2017 auf die Kleine Anfrage, BT-Drs. 18/11799,...