Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 570
Die Tathandlungen des § 370 Abs. 1 Nr. 1–3 AO stehen nicht unverbunden zum Hinterziehungserfolg, sondern müssen der Grund für den Erfolgseintritt sein. Aus der Formulierung "dadurch" ergibt sich zwingend, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg bestehen muss.
Rz. 571
Bei den Begehungsdelikten (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) wird dieser ursächliche Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg üblicherweise dahin gehend umschrieben, dass eine Handlung dann kausal für einen Erfolg ist, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass gleichzeitig der Erfolg entfiele (condicio sine qua non). Bei den Unterlassungsdelikten (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO) wird umgekehrt formuliert, dass das rechtlich gebotene Verhalten nicht hinzugedacht werden darf, ohne dass der Erfolg entfiele (Quasi-Kausalität).
Rz. 572
Bei beiden Varianten muss nach h.M. jeweils sicher sein, dass der Erfolgseintritt entfallen würde, so dass eventuelle Zweifel am hypothetisch gedachten Ablauf des Geschehens zugunsten des Täters gehen (in dubio pro reo). Bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO liegt dieser Kausalzusammenhang deshalb nur dann vor, wenn der Hinterziehungserfolg bei pflichtgemäßer Abgabe der steuerlich gebotenen Angaben bzw. bei gebotener Verwendung von Steuerzeichen oder -stemplern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre.
Rz. 573
Bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO führt die Umschreibung des notwendigen Kausalzusammenhangs mit der condicio-sine-qua-non-Formel (s. Rz. 571) aber schon leicht zu Missverständnissen.
Beispiel 6
Der Stpfl. erklärt für den abgelaufenen Voranmeldungszeitraum seinen Umsatz mit 75.000 EUR, obwohl er tatsächlich Umsätze i.H.v. 100.000 EUR erzielt hat.
Denkt man hier die unrichtigen Angaben des Täters hinweg, würde der Stpfl. überhaupt keine Angaben gegenüber der FinB machen. Tut er dies nicht, "sieht es für den Staat noch schlechter aus, als wenn der Täter handelt, denn dann wären nicht einmal die Steuern nach den erklärten 75.000 EUR, sondern überhaupt keine Steuern festgesetzt worden". Die Annahme fehlender Kausalität der Falschangaben für den Hinterziehungserfolg ist aber trotzdem unrichtig. Es geht allein darum, eine tatsächliche Verknüpfung zwischen Tathandlung und Erfolg festzustellen, was die h.M. dadurch ausdrückt, dass der Erfolg "in seiner konkreten Gestalt" nicht entfallen dürfe. Im Beispielsfall haben aber gerade die unrichtigen Angaben des Stpfl. (und nicht die hypothetisch unterlassenen) zu dieser unrichtigen Festsetzung (in Bezug auf einen Betrag von 75.000 EUR) geführt.
Der tatsächliche Kausalzusammenhang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass dann, wenn der Täter eine andere Handlung vorgenommen oder gar nichts getan hätte, ein anderer Erfolg eingetreten und ein anderes Geschehen an die Stelle des tatsächlichen getreten wäre. Gibt der Täter überhaupt keine Erklärung ab, tritt ein Verkürzungserfolg in Bezug auf 100.000 EUR ein, nicht auf 25.000 EUR. Genauso unerheblich ist es bei § 263 StGB, wenn das Betrugsopfer, das dem Täter tatsächlich aufgrund einer Täuschung Vermögenswerte übergeben hat, hinterher erklärt, die gleichen Vermögenswerte auch ohne diese Täuschung hingegeben zu haben. Die Täuschung war wirksam und es ist irrelevant, zu welchen Folgen ein ganz anderes Geschehen geführt hätte, das tatsächlich aber nicht stattgefunden hat. Genauso waren im Beispielsfall die unrichtigen Angaben wirksam (und nicht die gänzlich unterlassenen). Es ist also nicht richtig und beruht auf einem Missverständnis des Kausalitätserfordernisses, wenn geltend gemacht wird, dass der Begehungstatbestand der Steuerhinterziehung wegen des Kausalitätserfordernisses fast leerlaufe.
In dem genannten Beispiel realisiert sich zudem die durch die unrichtigen Angaben gesetzte Gefahr durch die zu niedrige Festsetzung der Steuer, so dass auch die Zurechnung des Erfolgs (s. Rz. 574) zu bejahen ist. Das ist aber dann anders und der Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verneinen, wenn bei pflichtgemäßem Alternativverhalten die Steuerfestsetzung zumindest vielleicht genauso erfolgt wäre (s. Rz. 236 zu § 160 AO, s. Rz. 590).
Rz. 574
Dagegen fehlt es am Kausalzusammenhang, wenn die Behörde die falschen Informationen nicht in ihre Entscheidung einfließen lässt. Das ist etwa dann der Fall, wenn Vollstreckungsmaßnahmen von der FinB unabhängig von unrichtigen Angaben in einem Vermögensstatus nicht verfolgt werden. Insoweit ist Versuchsstrafbarkeit nach § 370 Abs. 2 AO, §§ 22, 23 StGB denkbar. Werden falsche Angaben im Beitreibungsverfahren gemacht, hätte das FA aber auch bei zutreffender Sachverhaltsschilderung keine aussichtsreichen Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen können, fehlt es schon am Verkürzungserfolg. Entgegen der Auffassung des BGH ist die Kausalität auch dann zu verneinen, wenn der gutgläubige Steuerberater die ihm vom Mandanten übermittelten Informationen, in denen Vorsteuern a...