Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 185
Eine täterschaftliche oder mittäterschaftliche Verwirklichung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO durch den steuerlichen Berater kommt nur dann infrage, wenn dieser als Urheber oder Miturheber der unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben anzusehen ist (s. Rz. 105 ff., 108 ff., 113 ff., 114 ff.). Das ist insb. bei eigenen Erklärungen des Steuerberaters der Fall. Die Täterschaft nach § 370 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO setzt eine eigene Pflicht des Beraters voraus, Angaben zu machen bzw. Zeichen oder Stempler zu verwenden (s. Rz. 87, 116 ff.). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist die vorsätzliche Tatförderung durch den Berater nach den oben dargestellten Grundsätzen nach § 27 StGB mit Strafe bedroht; das Hervorrufen des Tatentschlusses ist als Anstiftung strafbar (s. Rz. 140 ff.). Weiß der Steuerberater um die Unrichtigkeit der Angaben des Mandanten oder rechnet er zumindest ernsthaft damit, dass die Angaben seines Mandanten unrichtig sein können, und wirkt er gleichwohl an Buchführung, Jahresabschlussarbeiten und der Steuererklärung mit, entsteht zumindest das Risiko, dass in der Praxis (wenigstens der Verdacht der) Beihilfe angenommen wird, da der Bereich der straflosen, "neutralen" Tatförderung unklar und umstritten ist (s. Rz. 165 ff., 186). Auf eine generelle Straflosigkeit wegen professioneller Adäquanz seiner Beratungstätigkeit kann sich der Berater jedenfalls nicht berufen. Zur Bindung an die höchstrichterliche Rspr. s. Rz. 238 ff.
Rz. 186
In der bloßen Mitwirkung an der Erstellung des Jahresabschlusses und/oder der Steuererklärung durch den Berater auf der Grundlage der dem Berater vom Mandanten zur Verfügung gestellten (unrichtigen) Unterlagen wird man gleichwohl ohne weiteres keine strafbare Beihilfe sehen können (s. aber auch Rz. 185). Denn kein Berater kann sich letztlich darauf verlassen, dass er von seinem Mandanten zutreffende Informationen erhält. Dem Berater kommt aber nicht die Aufgabe zu, zugunsten der steuerlichen Interessen des Staates seinen Mandanten zu überprüfen oder darauf hinzuwirken, dass dieser seine steuerlichen Pflichten erfüllt. Er ist nicht Garant für die Steuereinnahmen des Staates.
Durch die bloße Mitwirkung an der Erstellung des Jahresabschlusses bzw. der Steuererklärung schafft der Berater also kein pflichtwidriges, rechtlich missbilligtes Risiko für die Vermögensinteressen des Staates, das den Beihilfetatbestand erfüllen würde, sondern es liegt eine "neutrale" Handlung vor (s. Rz. 165 ff.), und zwar auch dann, wenn der Berater damit rechnet oder sogar weiß, dass die ihm zur Verfügung gestellten Angaben oder Unterlagen unrichtig oder unvollständig sind (s. Rz. 108.2). Das bloße Erstellen der Steuerklärung mit den vom Mandanten stammenden Angaben hätte der Berater auch gegenüber jedem anderen in der Lage des Täters vorgenommen. Das wird erst dann anders, wenn der Berater dem Mandanten besondere Hinweise darauf gibt, wie sich die Steuerhinterziehung so gestalten lässt, dass sie weniger auffällig wird.
Rz. 187
Das Gleiche gilt im Ergebnis für allgemein zugängliche Informationen, die der Berater seinem Mandanten gibt, und die diesen entweder dazu veranlassen, die Tat zu begehen, oder ihn bei der Ausführung der Tat unterstützen. Handelt es sich um rechtliche (zutreffende) Informationen, liegt keine unerlaubte Risikoschaffung vor, da diese Informationen jedermann zugänglich sein sollen; das gilt ebenso für tatsächliche Informationen, die jedermann zugänglich sind (s. Rz. 170). Der BGH ist der Auffassung, dass es zur Begründung von Beihilfeunrecht ausreicht, wenn darüber informiert wird, an welche Personen oder Institutionen man sich zwecks Geldtransfer und -anlage in der Schweiz wenden kann. Dem ist nicht zu folgen, wenn es sich um allgemeine ohne weiteres zugängliche Informationen handelt. Zu ungenau ist aber auch nach Meinung des BGH die Feststellung, jemand habe den Tipp gegeben, "wie und wo" Gelder in der Schweiz angelegt können. Das Verhalten des Beraters wird jedenfalls dann unerlaubt, wenn Hilfe bei der Verschleierung des Geldtransfers ins Ausland geleistet wird, etwa durch Beratung über den Einsatz ausländischer Domizilgesellschaften (s. auch Rz. 177 und § 369 Rz. 63). Zur spezifisch anwaltlichen Tätigkeit gehört es nach Auffassung des 1. Strafsenats, für einen Mandanten auch rechtlich bedenkliche und aus seiner anwaltlichen Sicht zweifelhafte Forderungen geltend machen zu können, ohne selbst der Gefahr strafbaren Handelns ausgesetzt zu sein. Entsprechendes gilt für den steuerlichen Berater.
Rz. 188
Wegen der bestehenden Unsicherheiten, wie rechtlich unzulässige von erlaubten Unterstützungshandlungen abzugrenzen sind (s. Rz. 165 ff.), ist die Grenze zwischen strafbarem und straflosem Verhalten nicht eindeutig. Zu betonen ist, dass grundsätzlich bei unauffälligen, berufsadäquaten Handlungen dolus eventualis zur Begründung von Beihilfe nicht ausreicht (s. Rz. 170), es sei denn, die besonder...