Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1530
Tatbestandsmäßig i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO sind vor allem Verstöße gegen die Beförderungs- und Gestellungspflichten gem. Art. 135, 139 UZK (s. dazu Rz. 219 f., § 382 Rz. 16 ff.). Die Gestellung besteht nach Art. 5 Nr. 33 UZK in der Mitteilung an die Zollbehörde, dass die Ware auf dem Amtsplatz eingetroffen ist, wobei die Ausgestaltung nationalem Recht überlassen ist. Meist geschieht sie formlos durch Übergabe eines Zollpapiers, in dem die zollrechtliche Bestimmung der Ware (Überführung in den freien Verkehr/in das Versandverfahren/zu einem Zolllager usw.; s. Rz. 1534) erklärt wird. Ist die Ware versteckt oder durch besondere Vorkehrungen verheimlicht, bedarf es gem. § 8 Abs. 2 ZollV zur Gestellung einer ausdrücklichen Mitteilung.
Gestellungspflichtig ist nach Art. 139 Abs. 1 Buchst. a–c UZK die Person, die die Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft/Union verbracht hat. Wer dies ist, war bislang äußerst umstritten.
Insoweit hat die EuGH-Rspr. zum gemeinschaftsrechtlichen Begriff der Gestellung verbindliche Wirkung für die strafrechtliche Beurteilung der Einfuhrabgabenhinterziehung. Der EuGH vom 4.3.2004 hatte zunächst, entgegen der Auffassung des vorlegenden BFH, die wörtliche Auslegung des Zollkodex bestätigt und nur solche Personen als gestellungspflichtig angesehen, die die Ware unmittelbar in das Zollgebiet verbringen (namentlich Fahrer und Beifahrer). Im Hinblick auf das Sonderdelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Nichtgestellung versteckter Waren) ergaben sich daraus bedenkliche Strafbarkeitslücken für Hintermänner von Schmuggelaktionen (s. näher dazu Rz. 327). Der EuGH vom 3.3.2005 interpretierte den Gestellungsbegriff sodann neu, auch wenn man dem EuGH insoweit einen Systembruch bzgl. der Begriffe Gestellung und Zollanmeldung i.S.d. Zollkodex vorwerfen kann. Danach gehören zum Verbringen in das Zollgebiet durch ordnungsgemäße Gestellung wahrheitsgemäße Angaben über sämtliche Waren (ob versteckt oder nicht) in der (summarischen oder endgültigen) Zollanmeldung.
In der Folge hat auch der BGH (s. Rspr.-Nachw. in Rz. 1531, 1555.3) klargestellt, dass die Hintermänner eines Schmuggeltransports strafrechtlich belangt werden können (s. Rz. 328). Entscheidend ist insoweit die Art und Weise der Einfuhr und die Kontrolle über den Transport.
Rz. 1530.1
Gleichwohl unterliegt nach Ansicht des FG Baden-Württemberg nicht jeder Beifahrer eines Fahrzeugs, mit dem Waren vorschriftswidrig verbracht werden, der Anmeldepflicht. Die Zollschuldnerschaft hängt auch beim Beifahrer davon ab, ob er Verantwortung für das Fahrzeug trägt.
Rz. 1531
Die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben in der summarischen Anmeldung erfüllen demnach die Handlungsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Wenn die ausführenden Transporteure aufgrund eines gemeinsamen Tatplans vorsätzlich handeln, sind die Hintermänner als Mittäter gem. § 25 Abs. 2 StGB verantwortlich. Wissen die Fahrer oder der Grenzspediteur nachweislich nichts von dem versteckten Schmuggelgut, machen sich die Hintermänner als mittelbare Täter gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar (s. näher dazu Rz. 328 und 110 ff.).
Bei einer Einfuhr über die "grüne Grenze" unter Umgehung der Zollstellen liegt hingegen ein Fall des Unterlassens i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, so dass grds. eine Strafbarkeit der Hinterleute wegen täterschaftlicher Steuerverkürzung nach der hergebrachten Dogmatik zum Unterlassungsdelikt nur dann in Betracht kommt, wenn sie als "Verbringer" gestellungspflichtig i.S.v. Art. 139 Abs. 1 UZK sind. Das ist nach den Grundsätzen der EuGH-Rspr. laut BGH (zit. in Rz. 328) aber auch dann der Fall, wenn die Hinterleute die Herrschaft über das Transportfahrzeug haben.
Das Problem hat sich allerdings seit Inkrafttreten des UZK erledigt: Danach ist auch derjenige gestellungspflichtig, in dessen Namen oder Auftrag der Verbringer handelt (Art. 139 Abs. 1 Buchst. b UZK). Damit sind auch die Auftraggeber einer Schmuggelfahrt über die grüne Grenze taugliche Täter einer Einfuhrabgabenverkürzung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (s. Rz. 328 f., 1557).
Nach der BGH-Rechtsprechung wird als Verbringer auch angesehen, wer kraft seiner Weisungsbefugnis beherrschenden Einfluss auf das Transportfahrzeug hat, indem er die Entscheidung zur Durchführung des Transports trifft oder die Einzelheiten der Fahrt (z.B. Route, Ort, Zeitabfolge) bestimmt.
Dem stellte der BGH den Fall einer Organisation des Transports unter Einschaltung eines gutgläubigen Spediteurs gleich. Wer die Einfuhr unverzollter und unversteuerter Zigaretten in die EU und weiter nach Deutschland organisiert und den Transport von einer gutgläubiger Spedition durchführen lässt, begeht die Abgabendelikte (Verkürzung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer des EU-Mitgliedstaates, in welches die Zigaretten als erstes verbracht wurden sowie deutsche Tabaksteuer) tateinheitlich als mittelbarer Täter.
Wer zu keinem Zeitpunkt die Sachherrschaft über...