Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 113.6
Erforderlich ist ein objektiver Tatbeitrag eines jeden Mittäters, obwohl die Rspr. hier zum Teil den Tatentschluss mit dem Tatbeitrag gleichsetzt und es ausreichen lässt, dass der Mittäter den die Tat ausführenden Genossen in seinem Tatentschluss bestärkt. Nach h.M. setzt die Beteiligung an der Tatausführung keine Mitwirkung im eigentlichen Ausführungsstadium der Tat voraus, sondern es kann die Vornahme von Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen im Vorfeld der eigentlichen Tatbegehung genügen. Der BGH ist der Auffassung, dass § 25 Abs. 2 StGB nicht zwingend eine Mitwirkung am "Kerngeschehen" erfordert.
Rz. 113.7
Dann muss freilich das "Beteiligungsminus" bei der Tatausführung durch ein "Plus" bei der gestaltenden Deliktsplanung ausgeglichen werden, um Tatherrschaft annehmen zu können. Erfasst werden soll damit vor allem der Bandenchef, der den Tatplan entwirft und seine Durchführung in allen Einzelheiten festlegt. Wer durch Planung und Organisation den Tatablauf wesentlich mitgestaltet, so dass der Erfolg auch als das Werk seines zielstrebig lenkenden und mitgestaltenden Willens erscheint, soll als Mittäter angesehen werden können. Daraus folgt, dass der Mittäter zwar nicht persönlich im eigentlichen Ausführungsstadium mitwirken, aber Mitherrschaft über die eigentliche Tathandlung haben muss, nicht über ein Geschehen, das nicht zum tatbestandlichen Unrecht gehört. Deshalb kann allein die Zugehörigkeit zu einer Bande unabhängig vom konkreten Tatbeitrag die Annahme einer mittäterschaftlichen Begehung durch ein Bandenmitglied nicht begründen.
Rz. 113.8
Entgegen der Auffassung der Rspr. reichen deshalb Verhaltensweisen im Vorfeld der eigentlichen Tathandlung – der Abgabe unrichtiger Erklärungen – bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht aus, um Mittäterschaft zu bejahen, wenn jemand nicht auch als (Mit-)Urheber der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung anzusehen ist. Das ist wenigstens tendenziell als Voraussetzung für die mittäterschaftliche Verantwortung von Ehegatten auch in der Rspr. anerkannt (s. Rz. 115.2). Da die unmittelbare Täterschaft dadurch gekennzeichnet ist, dass der Erklärende als Urheber der unrichtigen oder unvollständigen Angaben anzusehen ist, muss auch bei der Mittäterschaft die unrichtige oder unvollständige Erklärung im Rechtsverkehr eine solche des Mittäters sein. Der Mittäter muss deshalb entweder nach außen erkennbar (auch) als Garant hinter der Erklärung stehen, insb. durch seine Unterschrift, sie sonst (verdeckt) mit abgeben, also sowohl den Inhalt als auch die Abgabe mit beherrschen (s. Rz. 107.4 f., 113.11), oder die falsche Erklärung des einen muss mit einer falschen Erklärung des anderen eine gemeinsame, aus beiden Teilen zusammengesetzte Erklärung bilden (s. Rz. 113.12). Denn nur derjenige macht falsche Angaben, dem sie als eigene zugerechnet werden können. Demgegenüber meint der BGH (s. auch das Beispiel Rz. 113.10):
"Die Strafkammer hat ihren Beurteilungsspielraum bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe (BGH v. 10.11.2004 – 5 StR 403/04) nicht überschritten. Zwar erbrachte M. [Anm. des Verf.: der in die Abgabe der falschen Steuererklärungen nicht involviert war] seine Tatbeiträge lediglich im Vorfeld der falschen Steuererklärungen (vgl. hierzu BGH v. 28.5.1986 – 3 StR 103/86 [GmbHR 1987, 122 = UR 1986, 233 = wistra 1986, 263]); aufgrund dieser Tatbeiträge kam ihm jedoch nach der rechtsfehlerfreien Wertung der Strafkammer eine ‚Schlüsselstellung‘ bei den gemeinschaftlich geplanten Taten zu. Er verfügte über einschlägige Erfahrungen und die erforderlichen Kontakte und sorgte dafür, dass I. und K. die Taten unterstützten. Unter diesen Umständen brauchte die Strafkammer auch die Annahme von Mittäterschaft nicht breiter als geschehen zu begründen."
Bei Äußerungsdelikten (Aufforderung zu Straftaten und Billigung von Straftaten bzw. Werbung für eine terroristische Vereinigung, § 111 Abs. 1, § 140 Nr. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.) geht demgegenüber aber auch der BGH zutreffend davon aus, dass Täter nur sein kann, wer den jeweiligen strafbaren Inhalt der Veröffentlichungen als eigene Meinungsäußerung mitträgt und mittragen will. Täter ist nur, wer für den Inhalt und die Veröffentlichung der tatbestandserheblichen Äußerungen verantwortlich ist.
Rz. 113.9
Beispiel
Abwandlung von Beispiel Rz. 107.2: Prokurist P wirft die unrichtige Einkommensteuererklärung seines Chefs C, die dieser selbst erstellt und vorschriftsmäßig unterschrieben hat, in den Briefkasten des FA. P ist in das Vorhaben des C eingeweiht und billigt den Plan seines Chefs, um seinen eigenen Arbeitsplatz zu retten.
Hier kann man durchaus von einem arbeitsteiligen Verhalten der beiden Beteiligten sprechen. Der Beitrag des P ist auch nicht unwesentlich, da der tatbestandliche Erfolg nur eintreten kann, wenn die FinB von den Falschangaben Kenntnis erlangt. Gleichwohl ist P nicht Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB. Ebenso wenig wie de...