Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 711
Bei der mittäterschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) begangenen Steuerhinterziehung (s. Rz. 113 ff.) wird den Mittätern wechselseitig das Verhalten der jeweils anderen Mittäter als eigenes Verhalten zugerechnet (s. Rz. 113, 83). Daraus folgert die h.M. zu Recht, dass alle Mittäter einheitlich in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen aufgrund des gemeinsamen Tatplans unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt, da den anderen dessen Verhalten zugerechnet wird (sog. Gesamtlösung).
Rz. 712
Bei der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB), etwa durch Einschaltung eines gutgläubigen Steuerberaters (s. Rz. 110 ff.), ist umstritten, wann das unmittelbare Ansetzen zu bejahen ist. Nach überwiegender Ansicht ist entsprechend den Überlegungen zum beendeten Versuch (s. Rz. 705) darauf abzustellen, ob der mittelbare Täter das Geschehen endgültig aus der Hand gegeben hat, so dass nach seiner Vorstellung von der Tat das Geschehen unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll. Der BGH formuliert:
"Bezieht der Täter notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan ein, so liegt ein Ansetzen des Täters zur Tat schon dann vor, wenn er seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat. Es ist also nicht erforderlich, dass der Tatmittler seinerseits durch eigene Handlungen zur Tat ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatmittler in der Vorstellung entlassen wird, er werde die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr in engem Zusammenhang mit dem Abschluss der Einwirkung vornehmen. Demgegenüber fehlt es hieran, wenn die Einwirkung auf den Tatmittler erst nach längerer Zeit wirken soll oder wenn ungewiss bleibt, ob und wann sie einmal Wirkung entfaltet. In diesen Fällen beginnt der Versuch erst dann, wenn der Tatmittler, dessen Verhalten dem Täter über § 25 Abs 1 StGB zugerechnet wird, seinerseits unmittelbar zur Tat ansetzt".
Überzeugender ist es jedoch, immer darauf abzustellen, ob das vom Hintermann eingesetzte Werkzeug seinerseits zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. Denn auch nach Vorstellung des Hintermanns kann das geschützte Rechtsgut frühestens dann gefährdet sein, wenn der Tatmittler zur tatbestandlichen Ausführungshandlung unmittelbar ansetzt (s. auch Rz. 704).
Beispiele:
- Gastwirt G hat ein Grundstück zum Preis von 80.000 EUR gekauft. Um Grunderwerbsteuer zu sparen (s. § 8 GrEStG), lässt er vor dem Notar 40.000 EUR als Kaufpreis beurkunden. Die Beurkundung enthält nur eine straflose Vorbereitungshandlung. Reicht der Notar den Vertrag im Auftrag des Gastwirts bei der FinB zur vorläufigen Berechnung der Grunderwerbsteuer ein (Veräußerungsanzeige nach § 18 GrEStG), beginnt der Versuch, und zwar jedenfalls dann, wenn die Festsetzung alsbald erfolgt. Ohne Bedeutung ist es, wenn zur endgültigen Festsetzung der Grunderwerbsteuer vom Käufer noch eine gesonderte Steuererklärung verlangt wird und der notarielle Kaufvertrag wegen § 117 BGB (Scheingeschäft) nichtig ist. Zur Zurechnung der Veräußerungsanzeige an G über die Regeln der mittelbaren Täterschaft s. Rz. 110 ff.
- Der vorsätzlich handelnde Stpfl. S übergibt dem gutgläubigen Steuerberater die unrichtige Buchführung, damit dieser mit ihr die Steuererklärung vorbereitet und beim FA einreicht. Die Weitergabe der Buchführungsunterlagen ist noch straflose Vorbereitungshandlung (s. Rz. 704), und zwar nach der hier vertretenen Meinung auch dann, wenn S sich anschließend für andere unerreichbar auf eine Weltumseglung begibt; erst mit Einreichen der Steuererklärung durch den Berater beginnt frühestens der Versuch der Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft. Der BGH entscheidet im Ausgangsfall ebenso, soweit der Tatmittler noch wesentliche Handlungen ausführen muss. "Wird ein Steuerbüro mit der selbständigen Erstellung der gesamten Buchführung eines Unternehmens und der Einreichung der Steueranmeldungen beauftragt, stellt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die datenmäßige Erfassung und Verbuchung der Belege sowie die Erstellung des falschen Zahlenwerks für die später abzugebende Umsatzsteuervoranmeldung erst als Vorbereitungshandlung für die vom mittelbaren Täter beabsichtigte Steuerhinterziehung dar. Denn die Aufbereitung der Daten ist dann als weitere Prüfungsstufe anzusehen, die der in der Einreichung der Steuererklärung bei den Finanzbehörden liegenden tatbestandsmäßigen Handlung vorgeschaltet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 7.6.1994 – 5 StR 272/94, § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 12). So verhält es sich hier indes nicht. Mit Recht hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass es zwischengeschalteter buchungstechnischer Abläufe, die irgendwann in der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen münden sollten, hier nicht mehr bedurfte. Vielmehr hatte der Steuerberater lediglich die Umsätze und Steuerbeträge aus den wenigen ihm übergebenen Eingangs- und Ausgangsrechnungen aufzuaddieren und sodann für den Angeklagten die Summen in ein...