Rz. 349

[Autor/Stand] Die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO besteht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist[2]; dabei ist es unerheblich, ob bereits ein Steuerbescheid ergangen ist[3]. Die zeitliche Begrenzung auf den Ablauf der Festsetzungsfrist (§§ 169 ff. AO) beruht darauf, dass nach Ablauf dieser Frist eine Steuerfestsetzung oder eine Änderung eines bereits ergangenen Bescheids nicht mehr zulässig ist. Wird die Anzeige innerhalb der Festsetzungsfrist gemacht, so endet die Frist nach § 171 Abs. 9 AO nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

 

Beispiel

Der Erblasser hatte Steuern verkürzt, indem er vorsätzlich Zinseinkünfte eines ausländischen Schwarzgeldkontos nicht erklärt hatte. Für seinen Erben als Gesamtrechtsnachfolger gilt die Anzeige- und Berichtigungspflicht innerhalb der zehnjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 1 Satz 2 AO[4].

 

Rz. 350

[Autor/Stand] Fraglich ist jedoch, wie sich ein bereits ergangener (unrichtiger) Festsetzungsbescheid auf die Strafbarkeit des nach § 153 Abs. 1 AO Verpflichteten auswirkt (s. Rz. 336). Der Verkürzungserfolg des § 370 AO ist dann bereits eingetreten (s. Rz. 446), so dass durch die gebotene Berichtigung der Erfolg des § 370 Abs. 1 AO gar nicht mehr abgewendet werden könnte. Ein Teil der Literatur folgert daraus, dass deshalb eine Strafbarkeit nicht denkbar sei[6]. Als Steuerverkürzung i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sei nur die unrichtige Steuerfestsetzung selbst, nicht aber auch das Bestehenlassen eines unrichtigen Bescheids erfasst. Andere wollen den Taterfolg in Fällen der Nichtberichtigung deshalb nicht durch einen Vergleich der Ist- mit der Sollbesteuerung ermitteln, sondern entsprechend den Regeln der Schadensbemessung der Steuerhinterziehung außerhalb des Festsetzungsverfahrens, z.B. im Beitreibungsverfahren (s. dazu Rz. 548, 1564 ff.)[7]. Überzeugender ist es allerdings, die unrichtige (zu niedrige) Steuerfestsetzung als Steuervorteil zu begreifen, der ohne entsprechende Berichtigung unberechtigt i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 2 AO belassen würde, wofür insbesondere der Wortlaut des § 42 Abs. 2 AO spricht (s. Rz. 336)[8]. Der Wortlaut des § 370 AO schließt eine solche Deutung nicht aus; zudem stellt die Nichtaufklärung der unrichtigen Steuerfestsetzung wegen des drohenden Ablaufs der Festsetzungsfrist eine Gefährdung der Realisierung des Steueranspruchs dar, die für den Eintritt des Taterfolgs ausreicht (s. Rz. 432). Deshalb ist auch der Erbe verpflichtet, eine Berichtigungserklärung abzugeben, und bei Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar, auch wenn schon die unrichtigen Angaben des Erblassers zu einer unrichtigen Steuerfestsetzung geführt hatten.

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2023
[2] Zu Bedenken für die strafrechtliche Verantwortung des Gesamtrechtsnachfolgers s. aber Schmitz/Wulf in MünchKomm/StGB4, § 370 AO Rz. 354.
[3] Heuermann in HHSp., § 153 AO Rz. 14.
[4] Halaczinsky/Füllsack, BB 2011, 2839 (2841); vgl. auch Durst, PStR 2011, 257 ff.
[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.08.2023
[6] Vgl. Samson, wistra 1990, 245 (247); Möller, Die Berichtigungspflicht nach § 153 I AO und die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung, S. 172 ff.; Durst, PStR 2011, 257 (259 f.).
[7] Grötsch in JJR9, § 370 AO Rz. 280; Bülte in JJR9, § 370 AO Rz. 481 ff.
[8] Jesse, BB 2011, 1431 (1441).

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