Steuerliche Behandlung von "Cum/Cum-Transaktionen"
Wie bereits berichtet hat BMF mit Schreiben vom 9.7.2021 auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur sogenannten Wertpapierleihe reagiert, nach der das wirtschaftliche Eigentum bei zivilrechtlich an den Entleiher übereigneten Aktien ausnahmsweise beim Verleiher verbleiben kann, wenn dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition zukommt. Das BMF hat darin die Urteilsgrundsätze aufgegriffen und die Verwaltungssicht auf die wirtschaftliche Zurechnung von Wertpapieren ausführlich dargestellt.
Übertragung auf Cum/Cum-Gestaltungen
Mit Schreiben vom gleichen Tag hat das BMF auch seine diesbezüglichen Aussagen zur materiell-rechtlichen Behandlung von "Cum/Cum-Transaktionen" angepasst.
Alte Aussagen
Im Vorgängerschreiben aus 2017 hatte das BMF lediglich erklärt, dass bei Cum/Cum-Transaktionen mit der Einbuchung der Wertpapiere in das Depot des Entleihers bzw. Erwerbers vor dem Dividendenstichtag von einem Übergang des zivilrechtlichen und grundsätzlich auch des wirtschaftlichen Eigentums auszugehen ist.
Neue Aussagen
Mit Schreiben vom 9.7.2021 hat das BMF diese Aussage nun überarbeitet und erklärt, dass Wirtschaftsgüter zwar grundsätzlich dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen sind, hiervon jedoch abzuweichen ist, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über die Aktien ausübt.
Bei Cum/Cum-Gestaltungen geht das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien demnach zwar auf den Entleiher bzw. Erwerber über, allerdings bewirken die anlässlich der Transaktion abgeschlossenen Verträge und die Art ihres Vollzugs, dass das wirtschaftliche Eigentum nicht auf den zivilrechtlichen Eigentümer der Aktien übergeht.
Grund: Kein Übergang von Chancen und Risiken
Denn bei Cum/Cum-Gestaltungen erfolgt kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken, die mit dem Eigentum an den Wertpapieren üblicherweise verbunden sind. Der Empfänger der Aktien überträgt die Aktien nach der Dividendenausschüttung an seinen Vertragspartner zurück und trägt bis zur Rückübertragung der Aktien keine Kursrisiken, da er
- die Aktien über eine Wertpapierleihe vom Veräußerer übertragen bekommt,
- der Verkaufspreis im Falle der Rückveräußerung bereits als Bestandteil der Gestaltung feststeht oder
- die Aktien während der Haltedauer im Rahmen des Gesamtkonzepts gegen Kursschwankungen gesichert werden.
Das BMF weist darauf hin, dass die Übertragung der Wertpapiere an den Empfänger nicht darauf angelegt ist, diesem die Erträge aus den übertragenen Wertpapieren in einem wirtschaftlichen Sinne zukommen zu lassen oder ihm die Möglichkeit zu eröffnen, aus den Geschäften einen Liquiditätsvorteil zu erzielen. Der Empfänger der Aktien wird vielmehr gegen die Risiken abgeschirmt, die mit dem Halten der Aktien verbunden sind.
Entgelt für Mitwirkung
Bei Cum/Cum-Gestaltungen erhält der Empfänger einen Anteil an der ausgeschütteten Dividende als Entgelt für seine Mitwirkung. Dieser kann direkt aus einer prozentualen Beteiligung an der Dividendenzahlung abgeleitet sein, die der Empfänger der Aktien vor Weiterleitung der Dividende an seinen Vertragspartner einbehält. Möglich ist auch die Erzielung eines Vorteils aus Rechtsgeschäften mit dem Veräußerer, die anlässlich der Übertragung der Aktien abgeschlossen werden.
Renditeverbesserung durch Weiterverwendung
Eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende wirtschaftliche Zuordnung der Wertpapiere beim Veräußerer wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Empfänger der Aktien seine Rendite während der Dauer der Cum/Cum-Gestaltung durch die Weiterverwendung der Aktien über den erhaltenen Anteil an der Cum/Cum-Gestaltung hinaus verbessern kann. Die Aktien werden nach Beendigung der Cum/Cum-Gestaltung wieder zurückübertragen. Außerdem erhält der Erwerber wirtschaftlich betrachtet nicht den während der Haltedauer aus den gehaltenen Aktien maßgebend erzielbaren Ertrag in Höhe der Dividendenzahlung.
Prüfung eines Gestaltungsmissbrauchs
Bei Cum/Cum-Gestaltungen muss nach dem BMF-Schreiben neben der Frage der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums bezüglich der weiteren steuerlichen Folgen geprüft werden, ob ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 Abs. 2 AO vorliegt.
Der Zweck von Cum/Cum-Gestaltungen besteht darin, eine Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer auf Dividendenausschüttungen zu vermeiden; diese Umgehung ist missbräuchlich und führt zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. In der Folge muss der Sachverhalt so beurteilt werden, als ob eine angemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden wäre. Der Besteuerung muss also ein fiktiver - den wirtschaftlichen Vorgängen angemessener - Sachverhalt zugrunde gelegt werden. Dabei sind insbesondere diejenigen steuerlichen Folgen zu ziehen, die mit der konkret gewählten Gestaltung umgangen werden sollten. In diesem Fall wären Dividendeneinkünfte dem wirtschaftlichen Eigentümer der Aktien zugerechnet worden; die Kapitalertragsteuer wäre für Rechnung des steuerlichen Anteilseigners einbehalten worden und nicht für Rechnung des Empfängers der Aktien. Dem Empfänger der Aktien ist die Geltendmachung der mit der Gestaltung zusammenhängenden Aufwendungen, insbesondere aus der Nichtanrechnung bzw. Rückforderung der Kapitalertragsteuer, zu versagen.
Ergibt die Prüfung, dass der Empfänger der Aktien das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat, sind die weiteren steuerlichen Folgen ebenfalls auf Grundlage der Regelungen zum Gestaltungsmissbrauch zu prüfen.
Die Rechtsfolge: Der Empfänger der Aktien aus einer Cum/Cum-Gestaltung ist nicht der steuerliche Anteilseigner (nach § 20 Abs. 5 EStG). Er ist nicht zur Anrechnung oder Erstattung der auf die Dividendenzahlung abgeführten Kapitalertragsteuer befugt. Die auf die Dividendenzahlung abgeführte Kapitalertragsteuer ist nicht auf die Steuerschuld des Empfängers der Aktien anzurechnen oder an den Empfänger zu erstatten. Wurde bei der Dividendenzahlung kein Kapitalertragsteuerabzug vorgenommen oder die einbehaltene Kapitalertragsteuer erstattet, ist die Kapitalertragsteuer nachzuzahlen.
Anzeige- und Berichtigungspflicht
Das BMF weist in seinem neuen Schreiben darauf hin, dass Steuerzahlern eine Anzeige- und Berichtigungspflicht (nach § 153 AO) obliegt, wenn sie nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennen, dass sie Cum-Cum-Sachverhalte in ihrer Steuererklärung objektiv unrichtig bzw. unvollständig erklärt haben und es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen kann bzw. gekommen ist.
Anwendungsregelungen
Das neue BMF-Schreiben ersetzt das Schreiben vom 17.7.2017 (IV C 1 - S 2252/15/10030 :005, BStBl 2017 I S. 986) und ist in allen offenen Fällen anwendbar.
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