Rz. 542
Durch das AOÄndG 2015 wurde der neue Sperrgrund der Nr. 1 Buchst. e in § 371 Abs. 2 Satz 1 AO eingeführt. Danach kann eine wirksame Selbstanzeige nicht mehr abgegeben werden, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten ein Amtsträger der FinB zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat. Durch die zum 1.1.2015 in Kraft getretene Neuregelung ist der bisherige Streit, ob es sich bei einer Nachschau (vgl. auch § 210 AO) um eine "steuerliche Prüfung" i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO a.F. handelt, obsolet geworden.
Rz. 543
Die zu dem "Erscheinen" hinzutretende Ausweispflicht dient der Rechtssicherheit für den Stpfl.. Aufgrund des ansonsten (insb. im Vergleich mit der Außenprüfung, die eine formelle Prüfungsanordnung i.S.d. § 196 AO verlangt) formlosen Charakters der Nachschau wäre ansonsten nicht ausreichend gewährleistet, dass der Stpfl. die Nachschau als behördliche Prüfungshandlung erkennt.
Rz. 544
Das Gesetz nennt ausdrücklich die Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b UStG und die Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g EStG. Bei der Umsatzsteuer-Nachschau handelt es sich um eine formlose Prüfung, bei der ein Amtsträger der FinB "ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben, während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten [darf], um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können". Auf Verlangen des Amtsträgers haben die von der Umsatzsteuer-Nachschau betroffenen Personen Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. In diesem Rahmen kann die FinB z.B. Auskünfte zu einzelnen Eingangs- oder Ausgangsrechnungen und einzelnen Buchungsvorgängen oder von Verwendungsverhältnissen und Vorlage entsprechender Unterlagen verlangen. Ein Durchsuchungsrecht der FinB besteht im Rahmen einer Nachschau demgegenüber nicht. Vergleichbares regelt § 42g Abs. 1 EStG für die Lohnsteuer-Nachschau. Auch hier sind die mit der Nachschau Beauftragten ermächtigt, ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, zu betreten und Vorlage von steuererheblichen Geschäftsunterlagen sowie Auskunftserteilung zu verlangen. Als Nachschau nach anderen steuerlichen Vorschriften (vgl. § 210 Abs. 1 AO) kommen insb. Prüfungen der mit der Zoll- und Verbrauchsteueraufsicht (vgl. § 209 AO) betrauten Amtsträger in Betracht. Auch diese haben in den Grenzen des § 210 AO die Befugnis, Grundstücke und Räume zu betreten, um Prüfungen und sonstige für die Besteuerung erhebliche Feststellungen zu treffen.
Der Sperrgrund greift auch dann, wenn die Nachschau beim Steuerberater des Stpfl. durchgeführt wird, da der Ort der Nachschau unerheblich ist. Die Vorschriften des § 27b Abs. 1 UStG und § 42g Abs. 2 EStG, die ausdrücklich nur das Betreten von Räumlichkeiten, die dem Stpfl. zuzurechnen sind, regeln, sollen dem nicht entgegenstehen. Eine Inaugenscheinnahme oder eine Liquiditätsprüfung sind keine Nachschau im Sinne der steuerrechtlichen Vorschriften und stehen einer Selbstanzeige nicht entgegen. Entsprechende Vorgaben sollen in die AStBV (St) aufgenommen werden.
Rz. 545
Der Sperrgrund fällt weg, wenn die Nachschau beendet ist, sofern sie ohne Ergebnis bleibt. Da in diesem Fall – anders als bei der Außenprüfung gem. § 202 Abs. 1 AO – kein Prüfungsbericht zu erstellen ist, ist das Verlassen der Räumlichkeiten durch den mit der Prüfung betrauten Amtsträger der maßgebliche Zeitpunkt. In diesem Zeitpunkt lebt die Selbstanzeigemöglichkeit wieder auf. Sehr häufig allerdings schließt sich unmittelbar an die Nachschau eine "vollwertige" Außenprüfung an. Dies ist sowohl in § 27b Abs. 3 UStG als auch in § 42g Abs. 4 EStG für den Fall, dass die bei der Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, ausdrücklich vorgesehen, und zwar ohne dass es einer vorherigen Prüfungsanordnung i.S.d. § 196 AO bedarf. Insofern genügt ein schriftlicher Hinweis, dass zur Außenprüfung übergegangen wird (§ 27b Abs. 3 Satz 2 UStG bzw. § 42g Abs. 4 Satz 2 EStG). In diesem Fall kommt es zur Verwirklichung eines "Anschluss-Sperrgrundes". Da in dieser Situation die Bekanntgabe einer formalen Prüfungsanordnung entbehrlich ist, ist nicht § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO, sondern § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO einschlägig. Der Sperrgrund der Nachschau geht "nahtlos" in den des Erscheinens eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung über. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Übergang ist m.E. die Bekanntgabe der Benachrichtigung nach § 27b Abs. 3 Satz 2 UStG bzw. § 42g Abs. 4 Satz 2 EStG gegenüber dem Stpfl.
Rz. 546