Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 76
Da § 372 AO kein Sonderdelikt darstellt, gelten hinsichtlich der Täterschaft und Teilnahme keine Besonderheiten. Es finden also die allgemeinen Regeln der §§ 25–27 StGB Anwendung (vgl. § 370 Rz. 80 ff.). Eine besondere Täterqualifikation ist nicht erforderlich, es sei denn, die Spezialgesetze normieren eine solche. Als Täter kommen daher grds. der Hersteller, Spediteur, Lieferant, Abnehmer und insbesondere derjenige, der die Ware über die Grenze bringt und zum Bestimmungsort befördert, in Betracht (vgl. z.B. § 2 Abs. 10 AWG).
Rz. 77
Einschränkungen gelten jedoch, wenn einzelne Verbringungsverbotsgesetze besondere Anforderungen an die Täterqualifikation stellen. Letztgenannte Personen kommen daher als (Mit-)Täter der Einfuhrverbotsnormen und auch des § 372 AO nicht in Betracht. Ihre Tatbeiträge können allenfalls gem. § 27 StGB bzw. § 14 OWiG geahndet werden. Einführer bei pornographischen Schriften im Versandhandel i.S.d. § 184 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB ist z.B. nicht auch der private Bezieher ohne Verbreitungsabsicht, sondern nur der ausländische Versender.
Rz. 78
Mittäterschaft liegt gem. § 25 Abs. 2 StGB vor, wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich begehen. In diesem Fall wird jeder als Täter bestraft. Für die Annahme einer Mittäterschaft ist es nicht erforderlich, dass der Beteiligte selbst am Tatort in Erscheinung tritt. Es genügt, wenn er auf den Tatablauf beherrschend Einfluss nimmt. Allgemein hängt die Beantwortung der Frage, ob jemand Mittäter ist, wesentlich von seinem eigenen Erfolgsinteresse, vom Umfang seiner Tatbeteiligung, von seiner Tatherrschaft oder von seinem Willen zur Tatherrschaft ab (s. dazu auch grundlegend § 370 Rz. 96, 98 f., 113 ff.; zu Täterschaft und Teilnahme beim Bandenschmuggel s. § 373 Rz. 94 ff.). Mittäter kann auch der nichtanwesende Bandenchef sein.
Mittäter kann auch derjenige sein, der sich die Betäubungsmittel aus dem Ausland mit der Post schicken lässt. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Täter nicht nur fremdes Tun fördern will. Nach der Rspr. kann auch ein Mitwirken im Vorbereitungsstadium genügen, selbst im Ausland.
Rz. 79
Auch eine sukzessive Mittäterschaft/Beihilfe, d.h. eine Beteiligung nach Vollendung aber vor Beendigung des Bannbruchs, ist nach der kritisch zu sehenden Rspr. noch möglich (s. dazu auch § 369 Rz. 68 ff. sowie § 373 Rz. 44 m.w.N. zur Rspr.). Will sich der neu Hinzutretende jedoch nur im eigenen Interesse die eingeführten Waren verschaffen, liegt Steuerhehlerei gem. § 374 AO vor. Weitere mögliche Anschlusstaten sind die Begünstigung nach § 257 StGB i.V.m. § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO oder die Strafvereitelung gem. § 258 StGB.
Rz. 80
Mittelbare Täterschaft ist nach allgemeinen Grundsätzen gem. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB anzunehmen, wenn der Täter den Bannbruch "durch einen anderen" begeht. Das ist bei Verbringungsvergehen z.B. der Fall bei Einschaltung gutgläubiger Spediteure, die die Bannware unter Tarnwaren verborgen über die Grenze bringen (vgl. dazu auch grundlegend und mit Beispiel § 370 Rz. 110 f.). Zur Strafbarkeit der Hintermänner beim Schmuggel s. auch § 373 Rz. 43 f., 95 ff. und § 370 Rz. 328, 1530 ff., 1555 ff..
Rz. 81
Soweit einzelne Verbringungsverbote als selbständigen Begriff den des sog. Verbringenlassens erwähnen, liegt nach hier vertretener Auffassung (s. Rz. 32) eine tatbestandliche Verselbständigung der mittelbaren Täterschaft vor. Ob in diesen Fällen auch Anstiftung und Beihilfe zu täterschaftlichen Begehungsformen hochgestuft worden sind, ist jeweils durch Auslegung des einzelnen Verbringungsverbotsgesetzes zu ermitteln.
Rz. 82
Als Teilnahmeformen im engeren Sinne kommen Anstiftung und Beihilfe in Betracht. Siehe dazu grundlegend die Erläuterungen bei § 370 Rz. 120 ff., 140 ff., 153 ff. Zu der Frage der Limitierung der Akzessorietät des Teilnehmers am Bannbruch vgl. die Ausführungen zu § 373 Rz. 25, 41 f., 107. Beihilfe setzt generell einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag voraus. Das bloße Dabeisein und die Kenntnisnahme vom Transport genügen daher nicht. Beihilfe kommt insbesondere in Betracht, wenn sich die verbotswidrig eingeführte Ware schon im Inland befindet, aber noch nicht in Sicherheit gebracht ist (s. dazu Rz. 72, 74). Auch die Bestellung von Bannware im Ausland kann Beihilfe sein.
Rz. 83
Ist der Bannbruch beendet (vgl. Rz. 72 ff.), stellt sich die dann einsetzende Mitwirkung als Begünstigung (§ 257 StGB), Strafvereitelung (§ 258 StGB) oder Steuerhehlerei (§ 374 AO) dar.
Rz. 84
Einstweilen frei.