Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 127
Ein entscheidender Strafzumessungsfaktor ist die Höhe der Steuerverkürzung (s. dazu § 370 Rz. 1029.1 ff.).
Rz. 127.1
Zur Feststellung des Schuldumfangs gehört die Zollwertermittlung gem. Art. 70 ff. UZK (s. auch § 370 Rz. 468 f., 477, 1543 ff. m.w.N.). Hierbei muss das Tatgericht selbst den Laden-Kleinverkaufspreis der geschmuggelten Zigaretten ermitteln, nicht den tatsächlich erzielten "Schwarzmarktpreis". Ist ein Einzelhandelspreis nicht vorhanden, kann im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung der übliche Importpreis für Markenzigaretten des unteren Preissegments zugrunde gelegt werden.
Rz. 127.2
Bei serienmäßig begangenen Einfuhrdelikten kann der Tatrichter die Einzeltaten und die Besteuerungsgrundlagen schätzen.
Rz. 127.3
Im Strafverfahren gelten nach BGH die formellen Nachweise des Zoll- und Verbrauchsteuerrechts nicht (s. § 370 Rz. 460, 1544, 1551.1; § 379 Rz. 539 m.w.N.; s. dagegen die hier vertretene Ansicht von Ransiek, § 370 Rz. 457 ff.).
Rz. 128
Besondere Probleme bereitet die Berechnung der verkürzten Einfuhrabgaben i.S.v. § 373 Abs. 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 AO, die von anderen Mitgliedstaaten der EU verwaltet werden (s. Rz. 20). Seit der Erweiterung der EU werden Zigaretten überwiegend nicht mehr direkt aus einem Drittland in die Bundesrepublik Deutschland verbracht (einzige Drittlandgrenze ist nur noch zur Schweiz). Neben der aus dem Zollkodex sich ergebenden Zollschuld sind dann die bei Einfuhr entstandenen Abgaben des anderen Mitgliedstaats als verkürzt anzusehen. Die Blankettvorschriften der §§ 370, 373 AO werden insoweit durch die materiellen Steuergesetze des ausländischen Staates ausgefüllt. Ob diese hinreichend bestimmt sind, ist auf der Grundlage deutschen Steuerrechts in einer vergleichenden Wertung festzustellen. Eine Verurteilung hat daher revisionsrechtlich nur Bestand, wenn das Tatgericht anhand der Urteilsgründe überprüfbar von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den Schuldumfang selbständig ermittelt hat.
Rz. 128.1
Der im Zollverfahren berechnete Wert oder Angaben des Zollamts ersetzen nicht die eigenständige rechtliche Würdigung durch das Tatgericht. Aus den Urteilsgründen muss im Falle der Hinterziehung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer ersichtlich sein, wie der Tatrichter den von ihm angenommenen Zollwert (Transaktionswert) nach Art. 70 ff. UZK als Bemessungsgrundlage bestimmt hat.
Maßstab für die Berechnung der hinterzogenen Abgaben ist in Fällen des Schmuggels und der Steuerhehlerei gem. §§ 373, 374 AO die legale Einfuhr entsprechender Waren. Der Steuersatz für die deutsche Einfuhrumsatzsteuer beträgt 19 % bzw. 7 % (§ 12 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Rz. 128.2
Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Tatgericht eine eigenständige Steuerberechnung vorgenommen hat (s. § 370 Rz. 474 ff.). Das Gericht kann sich dabei allerdings Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung oder Sachverständigen anschließen, darf aber nicht nur auf Steuerbescheide und Gutachten verweisen. Für die Berechnung ausländischer Steuern (z.B. polnischer Verbrauchsteuer) gelten keine geringeren Anforderungen.
Rz. 129
Problematisch ist die Bestimmung des Zollwerts und der verkürzten ausländischen Steuern geschmuggelter Ware bei der Einfuhr über einen anderen EU-Mitgliedstaat (s. dazu § 370 Rz. 477). Der BGH schlägt insofern eine Beschränkung der Strafverfolgung auf die ausländischen Einfuhrabgaben Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sowie die hinterzogene nationale Verbrauchsteuer (in casu deutsche Tabaksteuer) gem. §§ 154, 154a StPO vor. Leplow hält dem entgegen, dass die als Einfuhrabgabe hinterzogene Tabaksteuer ein Rechnungsposten der hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer sei und damit konkret vom Tatrichter berechnet werden müsse oder die Einfuhrumsatzsteuer müsse ebenfalls gem. § 154a StPO ausgenommen werden.
Festzuhalten ist jedenfalls, dass die als Binnensteuer verkürzte Tabaksteuer nicht kumuliert strafschärfend berücksichtigt werden darf. Insoweit muss bedacht werden, dass nach Unionsrecht verbrauchsteuerpflichtige Waren im Ergebnis grundsätzlich nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer Mitgliedstaaten belastet sein sollen. Die ausländischen Steuern haben daher bei der Strafzumessung außer Betracht zu bleiben. Bei Verkürzung nationaler Verbrauchsteuer anlässlich des Transitschmuggels von für den englischen Schwarzmarkt bestimmten Zigaretten handelt es sich nach Ansicht des BGH mit Blick auf Art. 22 Abs. 3 Richtlinie Nr. 92/12 (EWG) (= Systemrichtlinie) jedoch nicht um eine "Steuerhinterziehung aus formalen Gründen".
Auch sind bei einer Durchleitung der Waren in einen anderen EU-Mitgliedstaat für die Erhebung der Verbrauchsteuer allein die Behörden desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dem die Waren entdeckt worden sind.
Rz. 130
Strafschärfend sind z.B. auch die Professionalität der Bandenstruktur