Rz. 167
Das Ruhen der Verjährung schreibt § 78b StGB für einige Fälle vor, in denen Verfolgungshandlungen und damit zugleich auch jede Unterbrechung der Verjährung rechtlich ausgeschlossen oder doch zumindest faktisch erschwert ist. § 78b StGB ist via § 369 Abs. 2 Halbs. 1 AO auch im Steuerstrafverfahren anwendbar. Die Folge dieser Regelung, die unmittelbar kraft Gesetzes eintritt, ist, dass Beginn oder Weiterlauf der Verfolgungsverjährung gehemmt wird. Im Unterschied zur Unterbrechung der Verjährung gem. § 78c Abs. 3 StGB beginnt die Verjährung nach Beseitigung des Verfolgungshindernisses nicht wieder neu; die vor dem Ruhen bereits verstrichene Verjährungszeit wird vielmehr mitgerechnet.
Durch das Ruhen wird den Strafverfolgungsbehörden – wider den Zwecken der Verjährung (s. Rz. 45) – mehr Zeit gegeben. Eine solche Ausnahme von den Verjährungszwecken hat der Gesetzgeber ursprünglich nur bei rechtlichen Hindernissen (vgl. § 78b Abs. 1 Nr. 2 StGB) gemacht, lässt aber zunehmend auch nur tatsächliche Schwierigkeiten der Strafverfolgung genügen. Als Ausnahmen sind auch die Ruhensregelungen eng auszulegen und analogiefeindlich (Rz. 134).
I. Strafrechtliche Verfolgungsverbote
Rz. 168
Grundnorm für die Berücksichtigung rechtlicher Ermittlungshemmnisse ist § 78b Abs. 1 Nr. 2 StGB. Voraussetzung ist ein gesetzliches Verbot der Aufnahme bzw. Fortführung des Strafverfahrens.
Das insoweit bekannteste Beispiel wird in § 78b Abs. 2 StGB explizit angesprochen – die Immunität von Parlamentsabgeordneten (vgl. für den Bundestag Art. 46 GG). Um Parlamentsabgeordnete nicht schlechterzustellen als den "sonstigen Staatsbürger", beginnt die Verjährung in diesem Fall erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem eine Ermittlungsbehörde oder – gem. § 158 StPO – ein Strafgericht von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt (§ 78 Abs. 2 Nr. 1, 2 StGB).
Rz. 169
Ein weiteres – in der Praxis überholtes – rechtliches Hindernis i.S.d. § 78b Abs. 1 Nr. 2 StGB ist Art. 1 des "Gesetzes über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten" vom 26.3.1993.
Rz. 170
Weitere Beispiele für ein Ruhen der Verjährung aufgrund rechtlichen Verfolgungsverbots sind z.B. Aussetzungen und Vorlegungen nach Art. 100 GG an das BVerfG, Einstellung nach § 153a StPO während des Laufs der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist (§ 153a Abs. 3 StPO); Fälle des § 154e Abs. 3 StPO und § 238 Abs. 2 StPO; nicht aber dann, wenn das Gericht aus Zweckmäßigkeitserwägungen ein Strafverfahren wegen einer zivilrechtlichen Vorfrage gem. § 262 Abs. 2 StPO aussetzt.
II. Steuerliche Vorfragen
Rz. 171
Sind steuerrechtliche Vorfragen offen, kann die FinB, StA oder das Gericht gem. § 396 Abs. 3 AO die Verjährung ruhend stellen. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Besteuerungsverfahrens ist eine Verfolgungsverjährung dann unmöglich. Die Aussetzung darf nur erfolgen, wenn die Beurteilung als Steuerhinterziehung davon abhängt,
- ob ein Steueranspruch besteht,
- Steuern verkürzt oder
- nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt sind (vgl. dazu näher die Erl. zu § 396).
Keine Aussetzungsgründe im Sinne dieser Vorschrift sind hingegen Zweifel darüber,
- ob dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen ein Vorwurf gemacht werden kann,
- ob ein Sachverhalt nachgewiesen werden kann, der einen Steueranspruch begründet.
Rz. 172
Das Ruhen der Verjährung gem. § 396 Abs. 3 AO hemmt mit zeitlich nicht limitierter Wirkung jedenfalls die regelmäßige (fünfjährige) Verjährungsfrist gem. § 78 StGB. Sie soll nach ganz h.M. (zum Streit vgl. § 396 Rz. 87 ff.) auch den Ablauf der absoluten (i.d.R. 15-jährigen, ggf. wegen § 376 Abs. 3 AO 37,5-jährigen) Verjährungsfrist gem. § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB (s. § 396 Rz. 85) zeitlich unbegrenzt hemmen. Dies hatte der BGH in einem nicht begründeten obiter dictum noch anders gesehen.
III. Tatsächliche Ablaufhemmnisse
Rz. 173
Anders als die an rechtlichen Gegebenheiten anknüpfenden Fälle laut Rz. 168 ff. sind die He...