Rz. 101
Die Frage der straf-/bußgeldrechtlichen Relevanz einer der Steuererklärung zugrunde gelegten, von der höchstrichterlichen und/oder von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung abweichenden Rechtsauffassung stellt sich für einen mit dem Steuerrecht regelmäßig nicht vertrauten steuerpflichtigen Laien nicht im gleichen Maße wie für den steuerlichen Berater dar (s. deshalb hierzu Rz. 112). Ein nicht beratener Stpfl. wird in aller Regel nur auf die dem Steuererklärungsvordruck beigefügten Erläuterungen der Finanzverwaltung zurückgreifen können. Diese haben keine Rechtsnormqualität. Der Stpfl. ist nur verpflichtet, den Vordruck, d.h. das Formular, gewissenhaft durchzulesen, ebenso wie dessen Erläuterungen. Einem Laien kann nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, wenn er das Erklärungsformular aufgrund mangelnder Steuerrechtskenntnisse unrichtig ausfüllt. Die Rspr. zum groben Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (Änderungssperre) dürfte als eine erste Orientierung für die Praxis grds. auf den Begriff der Leichtfertigkeit (grobe Fahrlässigkeit) i.S.d. § 378 AO übertragbar sein. Allerdings handelt es sich um Begriffe aus unterschiedlichen Regelungsbereichen, so dass im Einzelfall Unterschiede bestehen können.
Rz. 102
Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, bei der Abgabe der Steuererklärung die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, wie sie insb. in den Steuerrichtlinien zum Ausdruck kommt, oder die höchstrichterliche Rspr. zu befolgen. Das Vertreten einer abweichenden Rechtsauffassung bleibt dem Stpfl. selbstverständlich unbenommen. Fraglich erscheint nur, ob er die verdeckt seiner Steuererklärung zugrunde gelegte und damit zu einer aus Sicht der Finanzverwaltung niedrigeren Steuer führende abweichende Meinung kenntlich machen muss (zu dieser umstrittenen Frage s. näher Rz. 112 und § 370 Rz. 237 ff.). So wird die Ansicht vertreten, dass der Stpfl. zumindest dann, wenn er von den den Steuererklärungsvordrucken beigefügten Erläuterungen abweicht, dies in einer Anlage kenntlich zu machen habe (s. dazu § 370 Rz. 237 ff.). Das mag sich empfehlen, um jegliches straf-/bußgeldrechtliche Risiko auszuschließen (s. die Rspr.-Nachweise § 370 Rz. 241 ff.), wenngleich eine gesetzliche Pflicht zur Kenntlichmachung einer abweichenden Rechtsauffassung nicht besteht. Strenger insoweit freilich das FG München, das in dem von ihm zu entscheidenden Fall deshalb eine leichtfertige Steuerverkürzung bejaht hatte, weil der dortige Stpfl. nicht darauf hingewiesen hatte, dass er hinsichtlich der Steuerpflicht eine andere Rechtsauffassung als die FinB vertritt.