Rz. 161
§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO beschränkt die Zahl der vom Beschuldigten wählbaren (!) Verteidiger auf drei. Auch der nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassene Verteidiger (s. Rz. 126) zählt mit. Die Norm soll verhindern, dass das Verfahren durch die Mitwirkung einer Vielzahl von Verteidigern verschleppt oder vereitelt wird; sollte diese Überlegung tatsächlich zutreffen, erschließt sich allerdings nicht, warum nach h.M. nur die Anzahl der Wahl-, nicht aber der Pflichtverteidiger zahlenmäßig begrenzt wird. Tatsächlich kommt in dieser Differenzierung aus den Zeiten der RAF-Prozesse ein Misstrauen in die Institution des Wahlverteidigers zum Ausdruck.
Rz. 162
Die Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger auf drei wirkt sich vor allem im Steuerstrafverfahren ungünstig aus. Die Vorbereitung auf die Verteidigung erfordert es hier häufig, umfangreiche Akten aus dem Steuerfestsetzungsverfahren und aus dem Steuerstrafverfahren durchzuarbeiten und die maßgeblichen Vorgänge bei Ausübung der Verteidigung zu kennen. Gerade in größeren Verfahren können drei Verteidiger hierbei auch bei Arbeitsteilung bereits überfordert sein. Im Steuerstrafverfahren sind der Aufgabenteilung Grenzen gesetzt. Die Beurteilung der steuerrechtlichen Seite wird regelmäßig der Steuerberater etc. übernehmen, während die Betreuung der strafrechtlichen oder strafprozessualen Seite der Verteidigung dem Rechtsanwalt etc. obliegt (§ 392 Abs. 1 Halbs. 2 AO). Der Beschuldigte kann dann nur noch einen weiteren Verteidiger wählen. Wählt er einen dritten Verteidiger aus dem Kreis der Steuerberater etc., muss der Rechtsanwalt etc. die strafrechtliche und strafprozessuale Seite des Verfahrens allein betreuen und ist damit in umfangreichen Strafsachen mit absehbar vielen Hauptverhandlungsterminen ggf. überfordert. Wählt der Beschuldigte einen weiteren Rechtsanwalt etc. als Verteidiger, liegt der steuerrechtliche Komplex allein in den Händen eines Steuerberaters etc., der damit in Umfangsverfahren ebenfalls überfordert sein wird.
Rz. 163
In Konsequenz dessen ist es dem Beschuldigten jedoch nicht verwehrt, gleichwohl mehr als drei Rechtsanwälte etc. oder Steuerberater etc., mit seiner "Verteidigung" zu beauftragen, wobei die über drei hinausgehenden Rechtsanwälte etc. oder Steuerberater etc. dann aber nur intern, nicht aber gegenüber der Ermittlungsbehörde bzw. dem Gericht als Verteidiger mit den diesen zustehenden Rechten tätig werden können (vgl. Rz. 761 ff., 764).
Rz. 164
Zudem besteht die Möglichkeit einer Unterbevollmächtigung. Zwar zählen bei der Berechnung nicht nur die drei gewählten hauptbevollmächtigten Verteidiger, sondern auch neben dem Hauptbevollmächtigten tätige Unterbevollmächtigte. Dies gilt aber nicht für anstelle des Hauptverteidigers auftretende Unterbevollmächtigte.
Rz. 165
Bei der Bevollmächtigung einer Anwaltssozietät gilt grds. jedes Mitglied als bevollmächtigt. Gehören der Kanzlei mehr als drei Anwälte an, könnte die Vollmacht als unwirksam angesehen werden.
Rz. 166
Nach zutreffender Auffassung kommt es jedoch nicht ausschließlich auf den Vollmachtswortlaut und die Vollmachtserteilung als solche an, sondern auch auf eine entsprechende Annahme durch die näher bezeichneten Verteidiger. Somit ist darauf abzustellen, ob bei Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät mehr als drei Rechtsanwälte die Bevollmächtigung durch ausdrückliche Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten tatsächlich auch angenommen haben oder eine Auslegung der Beauftragung ergibt, dass nur bis zu drei Mitglieder der Sozietät bevollmächtigt werden sollten.
Rz. 167
Ein Verstoß gegen § 137 StPO führt gem. § 146a StPO zwingend zur Zurückweisung. Dabei gilt der Grundsatz der Priorität, d.h. die ersten drei Bevollmächtigungen sind wirksam, die nachfolgenden gem. § 137 StPO als unwirksam zurückzuweisen. Dabei soll grundsätzlich das Datum der Vollmachtsurkunde maßgeblich sein; angesichts der fehlenden Notwendigkeit einer schriftlichen Bevollmächtigung (s. Rz. 658) kann dies aber allenfalls eine Zweifelsregel sein. Der Beschuldigte hat es jederzeit in der Hand, durch Mandatskündigung und Neubestellung den von ihm gewünschten Verteidiger zu wählen.
Rz. 168
Gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Zurückweisung eines Verteidigers abgelehnt wird, steht der Ermittlungsbehörde die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO zu; ebenso dem Beschuldigten und dem betroffenen Verteidiger (im eigenen Namen) im Fall der Zurückweisung. Die Revision kann darauf gestützt werden, dass eine Zurückweisung trotz dargelegten konkreten Interessenwiderstreits unterblieben ist. Nicht mit der Revision erfolgreich gerügt werden kann jedoch die fehlerhafte Zurückweisung, sofern der Beschuldigte anderweitig ordnungsgemäß verteidigt war.
Rz. 169– 170
Einstweilen frei.