Schrifttum:
Bäumerich, Verschlüsselte Smartphones als Herausforderung für die Strafverfolgung, NJW 2017, 2718; Fahr, Die Neuregelung der Telekommunikation, DStR 2008, 375; Meyer-Mews, Die Verwendung im Strafverfahren erlangter Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung im Besteuerungsverfahren, DStR 2015, 204; Rebehn, Abhören, Mitlesen, Lauschen, Spähen, AnwBl. 2011, 261; Schellenberg, Freude ohne Jubel – der § 160a StPO wird geändert, AnwBl. 2010, 28; Siegrist, Ermittlungen in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen – Quo Vadis?, wistra 2010, 427; Singelnstein/Derin, Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens, NJW 2017, 2646; Zerbes/El-Ghazi, Zugriff auf Computer: Von der gegenständlichen zur virtuellen Durchsuchung, NStZ 2015, 425. – S. ferner das Schrifttum vor § 385 Rz. 402.
Rz. 326
Das Recht der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und der sonstigen Durchsuchung "informationstechnsicher Systeme" unterliegt – auch aufgrund technischer Neuerungen – einem beständigen Wandel. Nach der TKÜ (§ 100a StPO), der akustischen Überwachung (§§ 100c, 100f StPO), der Erhebung von Verkehrs- (§ 100g StPO) und Bestandsdaten (§ 100j StPO) sowie dem Einsatz von IMSi-Catchern (§ 100i StPO) ist seit dem 24.8.2017 auch die bis dahin allenfalls präventiv (vgl. § 20 BKAG und Landespolizeigesetze) zulässige Online-Durchsuchung auch repressiv zulässig. Zu den Überwachungsmaßnahmen im Einzelnen vgl. die Kommentierung von Graf und § 385 Rz. 402 ff., 445 ff., 448 ff.
Rz. 327
TKÜ und auch die weiteren technischen Überwachungsmaßnahmen sind im Steuerstrafrecht die seltene Ausnahme. Denn als Anlasstaten einer Telefonüberwachung gem. § 100a StPO kommen im Bereich der AO nur die Regelbeispiele des besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO, der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO sowie die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 AO in Betracht (§ 100a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a–c StPO). Die TKÜ beschränkt sich im Bereich der AO damit also auf schwere Delikte, wie sie typischerweise bei Umsatzsteuerkarussellen und organisiertem Alkohol- und Tabakschmuggel anzutreffen sind. Bei "normalen" Fällen der Steuerhinterziehung ist eine TKÜ hingegen unzulässig.
Rz. 328
Entsprechendes gilt für die anderen Überwachungsmaßnahmen. §§ 100b, 100c, 100g Abs. 2 StPO verweisen nicht auf die AO, §§ 100f, 100g Abs. 1, § 100i StPO auf den Katalog der TKÜ. Lediglich § 100g StPO (Erhebung von Verkehrsdaten) und § 100j StPO (Bestandsauskunft) sind unbeschränkt und damit auch für Steuerdelikte anwendbar, dürften aber i.d.R. keine praktische Bedeutung haben.
Rz. 329
Allerdings wird teilweise versucht, die Begrenzung des Katalogs des § 100a StPO mittels des Vorwurfs der Geldwäsche (§ 261 StGB) oder der Annahme einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) – beides Katalogtaten i.S.d. §§ 100a ff. StPO – zu überwinden. Geschieht dies nachweislich willkürlich, führt dies zu einem Verwertungsverbot. Gelingt dieser Nachweis nicht, bleiben die Erkenntnisse hinsichtlich einer mit der angenommenen Geldwäsche verbundenen Tat verwertbar, auch wenn sich der Geldwäschevorwurf – wie meist – nicht bestätigt.
Rz. 330
Mit Blick auf den Verteidiger ist darauf hinzuweisen, dass auch wenn der Beschuldigte einer Katalogtat verdächtig ist, die Anordnung einer Telefonüberwachung, Online-Durchsuchung und Wohnraumüberwachung (§§ 100a–100c StPO) beim Verteidiger grds. unzulässig ist. Die Telefonüberwachung beim Verteidiger unterliegt dem Schutz von Art. 10 und 12 GG und § 148 StPO. Zudem sind – mit Blick auf den Verteidiger – die Maßnahmen gem. § 100d Abs. 5 StPO ausdrücklich untersagt. Zwar könnte auch hier versucht werden, die Grenzen im Wege der Annahme einer Geldwäsche des Verteidigers durch Honorarannahmen auszuhebeln. Insoweit hat das BVerfG der Rspr. des BGH allerdings Grenzen gesetzt (dazu s. Rz. 707). Darüber hinaus wies das BVerfG darauf hin, dass
"die Überwachung des Telefonanschlusses eines Strafverteidigers nicht nur einfach-rechtlich, sondern auch von Verfassungs wegen unstatthaft [ist], wenn sie – wie hier – auf die Überwachung der Kommunikation mit seinem einer Katalogtat beschuldigten Mandanten abzielt. Eine derartige Abhörmaßnahme stünde in unlösbarem Widerspruch zur Rechtsgarantie des unüberwachten mündlichen Verkehrs zwischen dem Strafverteidiger und dem Beschuldigten aus § 148 StPO."
Rz. 331
Die Abhörung des Verteidigers ist damit – über § 160a Abs. 4 Satz 1 StPO hinausgehend – selbst bei einem Teilnahmeverdacht gegen den Verteidiger an Taten des Beschuldigten unzulässig, solange er nicht nach § 138a Abs. 1 StPO ausgeschlossen worden ist (s. dazu auch Rz. 186 ff.). Die Überwachung des Gesprächs darf nicht fortgesetzt werden, wenn feststeht, dass einer der Gesprächspartner der Verteidiger/Rechtsanwalt ist, bzw. sein Inhalt ist dann nicht verw...