Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 260
§ 393 Abs. 3 AO, neu eingefügt durch das JStG 2008 vom 20.12.2007, regelt eine steuerliche Verwendungsbefugnis strafprozessual rechtmäßig erlangter Kenntnisse. Die Verwertbarkeit soll sicherstellen, dass Personen, gegen die sich strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen richten und die ihren steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, steuerlich im Ergebnis nicht besserstehen als Personen, die ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommen.
Rz. 261
Gemäß § 393 Abs. 3 Satz 1 AO können Erkenntnisse, die die FinB oder die StA rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, im Besteuerungsverfahren verwendet werden.
Rz. 262
Gemäß § 393 Abs. 3 Satz 2 AO i.V.m. § 413 AO gilt dies auch für Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG unterliegen, die die FinB selbst rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat oder soweit nach den Vorschriften der StPO Auskunft an die FinB erteilt werden darf.
Rz. 263
Die AO enthielt bislang weder eine eigene Befugnis für eine Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses i.S.d. Art. 10 Abs. 2 GG noch eine Vorschrift, die die Verwertung von Aufzeichnungen zuließ, die auf der Grundlage des § 100a StPO gewonnen wurden. Dieses Defizit sollte durch § 393 Abs. 3 Satz 2 AO behoben werden.
Gleichwohl werden verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf den Verweis auf die "Sammelvorschrift" des § 413 AO erhoben. Fraglich sei, ob damit dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Genüge getan wurde. Auch wenn dies für die nach § 101 Abs. 3 StPO i.d.R. zwingend erforderliche Benachrichtigung der von den TKÜ-Maßnahmen betroffenen Personen nach Maßgabe der BVerfG-Rspr. noch gegeben sei, verblieben insoweit Zweifel, als § 393 Abs. 3 AO – anders als § 101 Abs. 4-8 StPO – keine Regelung zu weiteren Verfahrensvorschriften betr. den Umgang mit TKÜ-Daten enthalte.
Rz. 264
Während § 393 Abs. 3 Satz 1 AO eigentlich eine Selbstverständlichkeit ausdrückt und daher allenfalls klarstellende Funktion hat, stellen sich bei § 393 Abs. 3 Satz 2 AO, dem eigentlichen Kern der Neuregelung, einige Auslegungsprobleme.
Nach früherer Rechtslage (vor 2008) durften Erkenntnisse, die unmittelbar aus einer Telefonüberwachung in einem Strafverfahren resultierten, wegen der strikten Strafverfolgungsbezogenheit der das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) einschränkenden Regelung des § 100a StPO zu Besteuerungszwecken nicht herangezogen werden. Insoweit bestand ein Beweisverwertungsverbot. Dies hatte auch noch der BFH vom 26.2.2001 festgestellt. Die Neuregelung diente letztlich der "Nachbesserung" dieser Entscheidung.