Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 180
Der Strafbefehl und der Einspruch können bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug zurückgenommen werden (§ 411 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. § 303 StPO). Ebenso kann bereits im Anschluss an den Erlass des Strafbefehls auf die Einlegung eines Einspruchs verzichtet werden. Entsprechend den Grundsätzen über die Beschränkbarkeit des Einspruchs (s. Rz. 169 ff.) ist auch ein Teilverzicht oder eine Teilrücknahme bzw. eine nachträgliche Beschränkung des Einspruchs auf bestimmte Beschwerdepunkte möglich. Verzicht und Zurücknahme führen jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs, sondern zu dessen Nichtexistenz. Im Falle einer im Rechtsmittelverfahren erfolgten Zurückverweisung der Sache an das AG (s. Rz. 225) lebt die Rücknahmebefugnis wieder auf, wobei allerdings wiederum die Zustimmung der StA erforderlich ist.
Im Übrigen ist die gleiche Form zu beachten, die auch für die Einlegung des Einspruchs erforderlich ist.
Rz. 181
Die Rücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich. Die Zurücknahme des Strafbefehls durch die StA bedarf der Zustimmung des Angeklagten.
Die Klagerücknahme hat zur Folge, dass das gerichtliche Verfahren kraft Gesetzes – also ohne Einstellungsbeschluss! – beendet ist und sich wieder im Stand des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens befindet. Der StA stehen damit wieder alle Entscheidungsmöglichkeiten offen (weitere Ermittlungen, Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO oder nach §§ 153 ff. StPO, Abgabe an die FinB, erneute Beantragung eines Strafbefehls oder Anklageerhebung), da durch die Klagerücknahme kein Strafklageverbrauch eintritt. Nimmt die StA die Klage zurück und stellt sie das Verfahren ein, so hat das Gericht, bei dem die Klage erhoben war, auf Antrag der StA oder des Angeklagten die diesem erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467a StPO).
Rz. 182
Entsprechendes gilt für die Zurücknahme des Einspruchs. Hier ist der Angeklagte auf die Zustimmung der StA angewiesen (s. Rz. 181). Im Hinblick auf diese Regelung wird er sehr sorgfältig zu überlegen haben, ob er sich der Hauptverhandlung stellt. Er kann nicht mehr allein entscheiden, ob er aus dem Verfahren "aussteigt", indem er den Einspruch zurücknimmt und den Strafbefehl in Rechtskraft erwachsen lässt.
Rz. 183
Sofern der Angeklagte seinen Einspruch zurücknimmt, wird der Strafbefehl rechtskräftig (s. Rz. 184 ff.) und das Verfahren – ebenfalls ohne weitere richterliche Entscheidung! – allein durch die Prozesshandlung der Einspruchsrücknahme beendet. Die bis dahin durch den Einspruch entstandenen Kosten sind dem Angeklagten in analoger Anwendung des § 473 StPO aufzuerlegen. Ergeht trotz wirksamer Rücknahme des Einspruchs dennoch ein Verwerfungsurteil nach § 412 StPO, weil etwa der zuständige Richter noch keine Kenntnis von der Rücknahme hatte und der Angeklagte auch nicht mehr in der noch nicht aufgehobenen Hauptverhandlung erschienen war, so ist dieses Urteil auf das Rechtsmittel des Angeklagten hin auf Kosten der Staatskasse aufzuheben. Die seit der Rechtskraft bis zur Einspruchsrücknahme erwachsenen notwendigen Auslagen des Angeklagten sind ihm aufzuerlegen.