Rz. 30

[Autor/Stand] Sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Einziehung gegeben, ist nach Maßgabe des § 76a StGB in bestimmten Fällen ein selbständiges Verfahren zur Anordnung dieser Maßnahmen zulässig.

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Nach § 76a Abs. 1 StGB wird vorausgesetzt, dass eine Straftat (d.h. eine tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft verwirklichte Verletzung einer Strafvorschrift) vorliegt, eine bestimmte Person nicht verfolgt oder verurteilt werden kann. Die Hinderungsgründe können nunmehr sowohl tatsächlicher als rechtlicher Natur (z.B. Strafklageverbrauch, nicht aber Verjährung)[3] sein.

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Nach § 76a Abs. 2 StGB ist die selbständige Einziehung des Tatertrags und des Wertes des Tatertrags unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c StGB auch dann zulässig, wenn die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Gleiches gilt für die selbständige Anordnung der Sicherungseinziehung, der Einziehung von Schriften und der Unbrauchbarmachung.

 

Rz. 33

[Autor/Stand] § 76a Abs. 3 StGB betrifft den Fall, dass von Strafe abgesehen wird oder zuvor das Verfahren aus Opportunitätsgründen eingestellt worden ist (§§ 153 ff. StPO; §§ 398, 398a AO).[6]

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Nach dem neuen § 76a Abs. 4 StGB, flankiert von der Verfahrensnorm des § 437 StPO, können auch Gegenstände unklarer Herkunft selbständig sichergestellt werden (sog. non conviction based confiscation, s. § 399 Rz. 383 ff.).[8] Aus dem Bereich des Steuerstrafrechts betrifft dies Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO, des gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO und der Steuerhehlerei im Fall des § 374 Abs. 2 AO. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die (andere) rechtswidrige Tat nach strafprozessualen Grundsätzen festgestellt ist[9] (s. § 399 AO Rz. 385 m.w.N.). Man kann daher nicht von einer Verdachtseinziehung sprechen, sondern von einer Einziehung, die von einer Verurteilung wegen einer Straftat unabhängig ist.

 

Rz. 35

[Autor/Stand] Ist der Täter verstorben, scheidet eine selbständige Einziehung nach § 435 StPO aus. Dann richtet sich die Einziehungsanordnung gem. § 73b Abs. 1 Nr. 3 StGB gegen den Erben, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigten.[11]

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[3] BR-Drucks. 418/17, 79 f.; betr. Strafklageverbrauch OLG Celle v. 18.12.2018 – 3 Ws 222/18, 3 Ws 223/18, 3 Ws 224/18, 3 Ws 225/18, wistra 2019, 294; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt67, § 435 StPO Rz. 11.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[6] AG Gummersbach v. 6.7.1988 – 8 Gs 563/88, NStZ 1988, 460; Tormöhlen in HHSp., § 401 AO Rz. 20; Fischer71, § 76a StGB Rz. 8b.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[8] Vgl. auch Tormöhlen in HHSp., § 401 AO Rz. 20a.
[9] Bülte in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 9, 2023, Rz. 109.
[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2024
[11] Tormöhlen in HHSp., § 401 AO Rz. 20c; Schmidt/Scheuß in KK9, § 435 StPO Rz. 4; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt67, § 435 StPO Rz. 14; Heine in Satzger/Schluckebier/Widmaier5, § 435 StPO Rz. 5.

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