Rz. 201
Tatsächlich sind die Vorfeldermittlungen der Steufa als gesetzliche normierte Verdachtsprüfung einem konkreten Steuerstrafverfahren vorgelagert. Mithin hat die Aufgabe nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO eine Doppelfunktion im steuerlichen Bereich und im Vorfeld eines Steuerstrafverfahrens. Die Aufgabe ist, so Tormöhlen, "steuerlich etikettiert und in der Realität aber strafprozessualer Art".
Rz. 202
Sobald ein hinreichender Anlass (s. dazu Rz. 212 ff.) für ein Tätigwerden besteht, prüft die Fahndung, ob sich daraus ein Anfangsverdacht ableiten lässt. Die (Vor-)Ermittlungen beschränken sich in dieser Phase noch bzw. gerade nicht auf rein steuerrechtliche Ermittlungen, da ein unbekannter Steuerfall regelmäßig mit einem strafrechtlich relevanten Verstoß gegen steuerrechtliche Erklärungspflichten etc. einhergehen wird und die Ermittlungen gerade klären sollen, ob die Weichen für ein Strafverfahren oder Besteuerungsverfahren gestellt werden (ebenso Nr. 13 AStBV (St) 2022; s. AStBV Rz. 13). Die Abgrenzung der Vorfeldermittlungen zu den strafrechtlichen Vorermittlungen (s. § 397 Rz. 7 und Nr. 13 AStBV (St) 2022) liegt mithin darin, dass bei Vorfeldermittlungen die Möglichkeit eines strafbaren Verhaltens gesehen wird, während bei Vorermittlungen der Gewinnung von Erkenntnissen dienen, ob ein Anfangsverdacht vorliegen könnte. Die Grenze zulässiger Vorfeldermittlungen ist erreicht, sobald aus den Erkenntnissen ein Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat folgt (s. Rz. 244).
Rz. 203
Es wird in der Rspr. und Literatur auch vertreten, dass die Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO in der Sache den Vorermittlungen der StPO entsprächen.
Rz. 204
Letztendlich ist in der Praxis die Abgrenzung von Vorfeldermittlungen (Möglichkeit strafbaren Verhaltens, nur nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO zulässig, nicht in der StPO), zu Vorermittlungen (zur Klärung des Vorliegens eines Anfangsverdachts, auch in der StPO zulässig) zu einem bestehenden Anfangsverdacht nach § 152 Abs. 2 StPO (Pflicht zur Einleitung des Strafverfahrens) oftmals nicht zu leisten. Tormöhlen nennt zutreffend die entsprechenden Versuche ein "zweckgerichtetes Spiel mit Worten".
Rz. 205
Aus Gründen der Rechtssicherheit wird teilweise gefordert, bereits bei derartigen Vorermittlungen die strafprozessuale Belehrungspflicht gem. §§ 136, 163a StPO, § 393 Abs. 1 Satz 4 AO zu beachten.
Rz. 206
Trotz der insoweit missverständlichen Bezeichnung sind Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO keine polizeilichen Vorfeldermittlungen (es werden auch die Bezeichnungen Initiativermittlungen oder Vorfelduntersuchungen verwandt). Die Verhütung einer Straftat liegt in der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird. Die Abgrenzung von Vorermittlungen als Teil der repressiven Strafverfolgung zu Vorfeldermittlungen als Teil der präventiven Gefahrenabwehr ist rechtlich kompliziert. Die Ermittlungen werden verdachtslos und mit dem Ziel geführt, präventiv bestimmte "Szenen" zu beobachten, deren Strukturen, Strategien und Verdachtsindikatoren zu erkennen und damit nach vermuteten Straftaten zu suchen.
Rz. 207
In der StPO, mithin in Steuerstrafsachen, sind dagegen, anders als nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO, Vorfeldermittlungen mangels Anfangsverdachts i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO unzulässig. Der Anfangsverdacht löst demnach nicht nur die Erforschungspflicht der Ermittlungsbehörden aus, sondern begrenzt auch die strafverfahrensrechtliche Befugnis zum Einschreiten.