Rz. 145

[Autor/Stand] Unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG kann die FinB auch Geldbußen als Nebenfolgen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (z.B. AG, GmbH, Genossenschaft, OHG, KG, nichtrechtsfähiger Verein) verhängen (s. Rz. 117 Beispiel 1, § 377 Rz. 109 ff.). Hat ein Organ der juristischen Person/Personenvereinigung (z.B. ein Vorstandsmitglied oder ein vertretungsberechtigter Gesellschafter) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift begangen, wird die als Nebenfolge ausgestaltete Geldbuße gegen die juristische Person/Personenvereinigung i.d.R. im Verfahren gegen die natürliche Person festgesetzt. Ein selbständiges Verfahren findet nur in den Fällen des § 30 Abs. 4 OWiG statt[2].

 

Beispiel

Gegen den Vorstandsvorsitzenden V der X-AG ist ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) eingeleitet worden. Noch bevor die Ermittlungen abgeschlossen werden, setzt sich V in die Schweiz ab. Liegen die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 OWiG vor, ist die AG z.B. durch die Steuerhinterziehung bereichert worden (Nr. 2), kann gegen die X-AG eine Geldbuße selbständig festgesetzt werden.

Das selbständige Verfahren vor der FinB ist in § 88 Abs. 2 OWiG, das vor dem Gericht in § 444 Abs. 3 StPO geregelt.

Hält das FA im steuerlichen Bußgeldverfahren die Festsetzung einer Unternehmensgeldbuße (§ 30 OWiG) für erforderlich, so ordnet es die Beteiligung der juristischen Person/Personenvereinigung am Verfahren gegen das Organ an (§ 88 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 444 Abs. 1 StPO). Die Verfahrensbeteiligung kann bis zur Festsetzung des Bußgeldes gegen den Betroffenen erfolgen. Die Anordnung ist nicht anfechtbar, doch muss die FinB einen Vertreter der juristischen Person/Personenvereinigungen vor der Festsetzung des Bußgeldes hören (§ 424 Abs. 3, 4 i.V.m. § 444 Abs. 1 Satz 2, § 426 i.V.m. § 444 Abs. 2 StPO; § 46 Abs. 1 OWiG).

Der Bußgeldbescheid richtet sich gegen den Betroffenen, also gegen eine natürliche Person, wobei gleichzeitig die Geldbuße gegen die juristische Person/Personenvereinigung festgesetzt wird. Diese erhält mit Erlass des Bußgeldbescheids, der ihr ebenfalls zuzustellen ist, die Rechtsstellung eines Betroffenen. Sie kann daher z.B. selbständig Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen. Die gerichtliche Entscheidung ist bei Geldbußen unter 250 EUR allerdings mit der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht anfechtbar (§ 87 Abs. 5, § 88 Abs. 3 OWiG).

Für die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen im gerichtlichen Verfahren gilt § 444 StPO, der weitgehend auf die §§ 424 ff. StPO (Verfahren bei Einziehung) verweist. Die FinB wird, wenn sie gegen eine der in § 30 Abs. 1 OWiG genannten Personen einen Strafbefehl bei Gericht beantragt (§ 410 Abs. 2, § 400 AO) und die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift bejaht, den Antrag gleich auf die Unternehmensgeldbuße erstrecken.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.02.2022
[2] Näher dazu Kottke, INF 1997, 709.

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