Rz. 138

[Autor/Stand] Ist gegen den Betroffenen ein (rechtskräftiger oder nicht rechtskräftiger) Bußgeldbescheid ergangen und kommt es später wegen derselben Handlung (i.S.v. § 19 OWiG) in einem Strafverfahren zu einer Verurteilung, wird der Bußgeldbescheid insoweit aufgehoben (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Es dürfen also nicht nebeneinander eine Geldstrafe und eine Geldbuße verhängt werden. Die Ordnungswidrigkeit wird bei der Höhe der Geldstrafe mitberücksichtigt.

Zweck des § 86 Abs. 1 OWiG ist es, voneinander abweichende Entscheidungen über dieselbe Handlung zu verhindern.

Nach hier vertretener Auffassung kann sich eine solche Konstellation bei einem Bußgeldbescheid wegen einer Steuerordnungswidrigkeit nur ergeben, wenn es sich um eine allgemeine Straftat handelt, die nicht in den Kompetenzbereich der FinB fällt, bzgl. einer späteren Verfolgung der Tat als Steuerstraftat verbraucht der Bußgeldbescheid hingegen die Strafklage (str., s. Rz. 134.1 m. Nachw. auch zur Gegenansicht).

 

Beispiel

Im Beispielsfall in Rz. 134.1 hat die FinB beim Erlass des Bußgeldbescheids übersehen, dass N die Steuergefährdung in Tateinheit mit Urkundenfälschung (§ 267 StGB) begangen hat. Zur Frage des Verwertungsverbots in diesen Fällen s. § 393 Rz. 185 ff.; § 386 Rz. 89 ff. N wird später im Strafverfahren wegen dieser Urkundenfälschung verurteilt. In dieser Entscheidung muss das Gericht den Bußgeldbescheid aufheben.

Der frühere Bußgeldbescheid der FinB wird auch dann aufgehoben, wenn es im Strafverfahren nicht zu einer Verurteilung kommt, das Gericht jedoch in einer anderen abschließenden Entscheidung Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art trifft, die dem Bußgeldbescheid entgegenstehen (§ 86 Abs. 1 Satz 2 OWiG).

 

Beispiel

Im vorstehenden Beispiel gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Urkundenfälschung dem N nicht vorgeworfen werden kann, weil dieser sich in einem Tatbestandsirrtum befand. Dieser Irrtum bezog sich auch auf den Tatbestand des § 379 AO, so dass in dem freisprechenden Urteil auch der Bußgeldbescheid aufgehoben werden muss.

§ 86 Abs. 2 OWiG enthält Bestimmungen darüber, wie die wirtschaftlichen Nachteile eines aufgehobenen Bußgeldbescheids auf die vermögensrechtlichen Folgen der strafrechtlichen Entscheidung angerechnet werden.

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.02.2022

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