Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 70
Schon während des Ermittlungsverfahrens genießen der Betroffene und die anderen Verfahrensbeteiligten entsprechend dem Verfassungsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG einen umfassenden Rechtsschutz. § 62 OWiG eröffnet (entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2, §§ 304 ff. StPO) die Möglichkeit, gegen Anordnungen, Verfügungen und andere Maßnahmen, die von der FinB im Ermittlungsverfahren getroffen werden (und nicht in Form von Bußgeldbescheiden ergehen), gerichtliche Entscheidung zu beantragen. Sachlich zuständig ist das AG i.S.d. § 391 AO i.V.m. § 410 Abs. 1 Nr. 2 AO (zur örtlichen Zuständigkeit s. Rz. 25). Für die Anfechtung des Bußgeldbescheids ist dagegen der besondere Rechtsbehelf des Einspruchs gegeben (s. Rz. 81 ff.).
Als selbständig angreifbare Maßnahmen i.S.d. § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG kommen z.B. in Betracht Durchsuchungen und Beschlagnahmen (für das Strafverfahren s. § 385 Rz. 372 ff.), Vermögensarrest (s. Rz. 143 f.; § 399 Rz. 81 ff.), die Versagung der Akteneinsicht und die Kostenentscheidung (s. Rz. 78; § 412 Rz. 17).
Ausgenommen sind nur solche Maßnahmen, die zur Vorbereitung des Bußgeldbescheids oder der Einstellungsverfügung dienen und daher keine selbständige Bedeutung haben bzw. den Betroffenen nicht in seinen Rechten beeinträchtigen.
Beispiel
Das HZA hat dem Importeur H mitgeteilt, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 382 AO i.V.m. den Zollgesetzen eingeleitet worden sei. H glaubt sich zu Unrecht verfolgt und betrachtet das Verfahren als unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Er stellt beim HZA gem. § 82 OWiG den Antrag, das AG möge die Rechtswidrigkeit des Ermittlungsverfahrens feststellen. Dieser Antrag ist nicht zulässig, da die Einleitung des Verfahrens als solche "keine selbständige Bedeutung" hat.
Nicht anfechtbar sind zudem die Einstellung des Verfahrens oder die Anordnung der Vernehmung eines Zeugen.
Der an keine Frist gebundene Antrag gem. § 62 OWiG ist im Regelfall bei der FinB zu stellen (§ 306 Abs. 1 StPO i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG), damit die Verwaltungsbehörde prüfen kann, ob sie dem Antrag abhilft, d.h. die beanstandete Maßnahme zurücknimmt. Hilft die FinB nicht ab, so leitet sie den Antrag binnen drei Tagen an das nach § 391 AO zuständige Gericht weiter, dessen Entscheidung i.d.R. unanfechtbar ist.
Rz. 71
Hat die Steufa wegen Gefahr in Verzug eine Beschlagnahme oder Durchsuchung angeordnet (§ 410 Abs. 1 Nr. 9 AO i.V.m. § 404 Satz 1 AO, § 98 Abs. 1 Satz 1, § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO), kann hiergegen nicht gem. § 62 OWiG vorgegangen werden, denn die Fahndung ist nicht Verfolgungsbehörde i.S.d. §§ 409, 410 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 35, 36, 46 Abs. 2 OWiG (s. Rz. 5). Die Überprüfung dieser Maßnahmen durch den Amtsrichter ist aber gem. § 410 Abs. 1 Nr. 9, § 404 Satz 1 AO, § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO analog möglich (s. auch § 385 Rz. 379).
Auch eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit bereits erledigter Maßnahmen gem. § 62 OWiG (die Durchsuchung ist z.B. durch die Durchsicht der Papiere beendet) ist zulässig (s. auch § 385 Rz. 387); bei Eilmaßnahmen der FinB/Steufa muss hierfür aber ein besonderes Rechtsschutzinteresse bestehen.