Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 13
Nach Ablauf der zweiwöchigen Schonfrist hat die FinB als Vollstreckungsbehörde die Wahl zwischen Beitreibung der Geldbuße und dem Antrag bei Gericht (zur Zuständigkeit vgl. § 104 Abs. 1 und 2 OWiG) auf Anordnung der Erzwingungshaft (§ 96 Abs. 1 OWiG). Bei der Auswahl der Mittel hat die FinB jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, d.h. in aller Regel sind Beitreibungsmaßnahmen das wirksamere und weniger einschneidende Mittel, so dass Erzwingungshaft nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein dürfte.
Rz. 13.1
Die folgenden Voraussetzungen müssen bei Anordnung von Erzwingungshaft gegeben sein (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 1–4 OWiG):
- die Geldbuße oder der bestimmte Teilbetrag wurden nicht gezahlt;
- der Betroffene hat seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan (vgl. § 66 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 3 OWiG);
- der Bußgeldbescheid enthielt die in § 66 Abs. 2 Nr. 3 OWiG geforderte Belehrung und
- es liegen keine Umstände vor, aus denen sich die Zahlungsunfähigkeit des Betroffenen ergibt.
Rz. 13.2
Das Gericht kann, wenn ihm selbst die Vollstreckung obliegt, die Erzwingungshaft auch von Amts wegen anordnen (§ 96 Abs. 1 OWiG).
Die Anordnung der Erzwingungshaft steht im Ermessen des Gerichts. Es muss Zahlungserleichterungen bewilligen, wenn dem Betroffenen die sofortige Bezahlung nicht zumutbar ist (§ 96 Abs. 2 OWiG). Die Höchstdauer der Erzwingungshaft beträgt bei einer Geldbuße sechs Wochen, bei mehreren in einer Bußgeldentscheidung festgesetzten Geldbußen drei Monate (§ 96 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Die Erzwingungshaft wird nach Tagen bemessen, wobei die Höhe der Geldbuße berücksichtigt werden muss.
Die vollzogene Erzwingungshaft wird – anders als Ersatzfreiheitsstrafe – nicht auf die Geldbuße angerechnet.
Rz. 13.3
Bei der Vollstreckung einer Verbandsgeldbuße gem. § 30 OWiG (s. § 377 Rz. 109 ff.; § 410 Rz. 141) richtet sich die Erzwingungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der juristischen Person oder die Personenvereinigung. Es bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen, ob es die Haft gegen alle Organe oder nur gegen einzelne Vertreter anordnet.
Rz. 13.4
Die Vollstreckung der Erzwingungshaft, die sich nach § 451 StPO richtet, kann der Betroffene jederzeit dadurch abwenden, dass er die Geldbuße bezahlt (vgl. § 97 Abs. 2 OWiG). Die Zahlung ist an die Finanzkasse zu leisten, deren Anspruch auch bei (versehentlichen) Zahlungen an die Justizkasse bestehen bleibt. Die Vollziehung wird nicht durch den Einwand der Zahlungsunfähigkeit gehemmt. Das Gericht kann jedoch die Vollziehung aussetzen (§ 97 Abs. 3 Satz 2 OWiG).
Rz. 13.5
Die Kosten der Vollstreckung der Erzwingungshaft sind Kosten des Bußgeldverfahrens.[4]