Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer Sozialarbeiterin in einer katholischen Einrichtung, weil diese aus der evangelischen Kirche ausgetreten und einer anderen christlichen Religionsgemeinschaft beigetreten ist
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die katholische Sozialstation die Rechte und Pflichten ihrer Arbeitnehmer einzelvertraglich, tarifvertraglich oder aufgrund Art 140 GG iVm Art 137 Abs 3 Weimarer Reichsverfassung erlassenen Ordnungen geregelt, so sind diese Regelungen für die Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs 2 KSchG maßgebend.
2. Ist in diesen Bestimmungen der Wechsel der Glaubensgemeinschaft durch einen Arbeitnehmer nicht geregelt, so ist die ausgesprochene soziale Kündigung ungerechtfertigt. Auf einen Verstoß gegen allgemeine Glaubenssätze der katholischen Kirche kann sich der Arbeitgeber jedenfalls bei einem nichtkatholischen Arbeitnehmer nicht berufen, wenn er gegen die Religionsgemeinschaft, welcher die Arbeitnehmerin beigetreten ist, keine Bedenken hinsichtlich deren christlichen Glaubensgrundlagen erhoben hat.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 23.11.1999 -- AZ: 2 Ca 423/99 -- wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten.
Die Klägerin ist seit dem 16. Oktober 1991 als Haus- und Familienpflegerin bei der Beklagten, der ..., beschäftigt.
Sie ist mit 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt und verdient monatlich durchschnittlich DM 3.200,-- brutto. Die Klägerin war bei der Einstellung Mitglied der evangelischen Kirche. Im Zusammenhang mit ihrer Eheschließung im November 1997 trat sie aus der evangelischen Kirche aus und wurde Mitglied der "Christengemeinschaft in Baden-Württemberg", der auch ihr Ehemann angehört. Die "Christengemeinschaft" ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, jedoch nicht Mitglied des "Arbeitskreises christlicher Kirchen" (im folgenden ACK). Mit Schreiben vom 19.07.1999, der Klägerin am 24.07.1999 zugegangen, hat die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1999 erklärt. Als Kündigungsgrund wurde ihr Austritt aus einer "Religionszugehörigkeit, welche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen angehört", angegeben.
Die Beklagte ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen. Nach § 2 des schriftlichen Dienstvertrages gelten für das Dienstverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR). Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit in der Haus- und Familienhilfe wird sowohl katholischen, nichtkatholischen als auch nichtchristlichen Familien bzw. Personen gewährt.
Die Klägerin hat beantragt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 19.07.1999, der Klägerin zugegangen am 24.07.1999, aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, mit dem Austritt der Klägerin aus einer dem ACK angehörenden Kirche habe sie gegen die gesteigerten Loyalitätsanforderungen der katholischen Kirche verstoßen. Kirchenaustritte würden von der Beklagten nicht gebilligt werden. Zu den besonderen Loyalitätsobliegenheiten gehöre es, daß eine Mitarbeiterin zumindest einer Konfession angehöre, die Mitglied der ACK sei. Die Beklagte hat sich auf die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen der kirchlichen Arbeitsverhältnisse" vom 22.09.1993 berufen (im folgenden als Grundordnung bezeichnet).
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.11.1999 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Austritt der Klägerin aus der evangelischen Kirche als solcher sei kein Loyalitätsverstoß gegenüber der Beklagten als einer katholischen Einrichtung. Die katholische Kirche könne keine Loyalität zu anderen Kirchen einfordern. Aus der Grundordnung der katholischen Kirche ergäbe sich kein Kündigungsgrund. Soweit die Grundordnung in Artikel 5 Abs. 2 den Kirchenaustritt als kirchenspezifischen Kündigungsgrund nenne, gelte dies nur für Kirchenaustritte aus der katholischen Kirche. Die Mitgliedschaft der Klägerin in der "Christengemeinschaft" sei auch keine kirchenfeindliche Betätigung. Die Beklagte habe nie behauptet, daß die Christengemeinschaft "kirchenfeindlich" sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen (ABl. 48 -- 52).
Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts. Sie rügt, das Arbeitsgericht habe übersehen, daß die "Dienstgemeinschaft" der zentrale Ausgangspunkt des kirchlichen Arbeitsrechtes sei und daß sich hiervon ausgehend die Frage nach der Kirchenmitgliedschaft der einzelnen Mitarbeiter beantworte. Diese "Dienstgemeinschaft" müsse deutlich und erfahrbar machen, daß die Einrichtung sich dem Auftrag Christi verpflichte und der "Gemeinschaft...